Sonntag, 28. Juni 2009

Geist der Liebe - mit Christus leben

27.05.2001 Predigt zum Sonntag EXAUDI
- Gottesdienst mit Paul Gerhardt an seinem 325. Todestage -

Kanzelsegen
Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus, die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns allen! Amen (nach Röm 15,24)

Der für den heutigen Sonntag Exaudi (= dt. Erhöre!) vorgeschlagene Predigttext steht im Evangelium nach Johannes im 14. Kapitel, in den Versen 15 bis 19:

15) Liebt ihr mich, so werdet ihr meine Gebote halten.
16) Und ich will den Vater bitten, und er wird euch einen anderen Tröster geben, daß er bei euch sei in Ewigkeit:
17) Den Geist der Wahrheit, den die Welt nicht empfangen kann, denn sie sieht ihn nicht und kennt ihn nicht. Ihr kennt ihn, denn er bleibt bei euch und wird in euch sein.
18) Ich will euch nicht als Waisen zurücklassen; ich komme zu euch.
19) Es ist noch eine kleine Zeit, dann wird mich die Welt nicht mehr sehen, denn ich lebe, und ihr sollt auch leben. (Joh. 14, 15-19)

Lieber himmlischer Vater, hilf unser Leben unter dein Wort zu stellen und gib uns die Kraft, danach zu leben. Amen.

"Liebt ihr mich, so werdet ihr meine Gebote halten ..."
Da steht das Wort an erster Stelle, das für Jesus das wichtigste Gebot im Gesetz ist: Wir sollen Gott lieben und unseren Nächsten wie uns selbst Für mich ist dieses Wort eine Art Maßstab, mit dem ich feststellen kann, was christlich und was unchristlich ist. Es steht auch viel Unchristliche in der Bibel. Jedenfalls umfaßt diese Liebe mehr als sinnliche Zuneigung und Leidenschaft.

"...Und ich will den Vater bitten, und er wird euch einen anderen Tröster geben, daß er bei euch sei in Ewigkeit ..."
Mit diesen Worten verspricht Jesus, daß er für seine Jünger bei seinem Vater bitten wird. Er bittet um den Heiligen Geist. Damit ist gesagt, daß die Menschen, die sich zu Jesus bekennen, damit rechnen können, daß Gott sie nicht verläßt. Sein Heiliger Geist verläßt sie in, Ewigkeit nicht. - Das heißt nun nicht, daß Christen stets vom Heiligen Geist erfaßt und durchdrungen sind. Sie bleiben Menschen nach wie vor - mit ihren Stärken und mit ihren Schwächen. Sie kennen aber ein Ziel. Sie wissen,
worauf es ankommt.

„ ...ich lebe und ihr sollt auch leben."
Diese Worte sagt Jesus, nachdem er angekündigt hat, er werde die Jünger verlassen. Daß Jesus sterben, auferstehen und zum Himmel auffahren wird, das wußten die Jünger nicht. Jesus aber sagt ihnen, daß er alles überleben, ja mit neuem Leben erfüllen wird und daß deshalb auch sie leben werden. - Ahnen wir etwas von diesem Leben, in dem die Liebe regiert, die alles umfängt?

An dieser Stelle möchte ich an Paul Gerhardt erinnern, den Namensgeber der Kirche in Rheindorf-Nord.
Am 12.März 1607 in Sachsen geboren, studierte er in Wittenberg Theologie, war einige Zeit Hauslehrer und erhielt mit 44 Jahren seine erste feste Anstellung als Pfarrer in Mittenwalde (Probst). Nach sechs Jahren wurde er an die Nicolaikirche in Berlin berufen. Wegen einer Auseinandersetzung mit seinem Landesherrn, dem Kurfürsten von Brandenburg, verlor er diese Stelle. Er war drei Jahre arbeitslos. Schließlich kam er nach Lübben im Spreewald. Dort starb er am 27. Mai 1676. Das war vor 325 Jahren - auf den Tag genau. Paul Gerhardt hatte ein schweres Leben. Als er fünfzig Jahre alt war, verlor er beide Eltern. Er wurde 69 Jahre alt - dreißig Jahre darunter war Krieg (1618 - 1648). Seine Frau gebar ihm fünf Kinder, von denen aber nur eines ihn überlebte. - Ein trauriges Leben? -
Wir singen heute nur Lieder von Paul Gerhardt. Sie sind lebendige Zeugnisse dafür, was es heißt, mit Christus zu leben.
Zwei davon möchte ich nun genauer ansehen - das Lied vor und das Lied nach der Predigt.

Zieh ein zu deinen Toren,
sei meines Herzens Gast,
der du, da ich geboren,
mich neu geboren hast,
o hochgeliebter Geist
des Vaters und des Sohnes,
mit beiden gleichen Thrones,
mit beiden gleich gepreist.

Mit diesen Worten, begrüßt er den Heiligen Geist, der in ihn einziehen so1l — wie Jesus es in unserer Textstelle es zugesagt hatte.

Zieh ein, laß mich empfinden
und schmecken deine Kraft,
die Kraft, die uns von Sünden
Hilf und Errettung schafft.

Hier ist alles Erfahrung - das heißt, mit dem Herzen verarbeitetes Erlebnis. Und so geht es weiter:

Du bist der Geist, der lehret,
wie man recht beten soll;
dein Beten wird erhöret
dein Singen klinget wohl ...

Du bist der Geist der Freuden,
von Trauern hältst du nichts,
erleuchtest uns im Leiden
mit deines Trostes Licht.

Du bist ein Geist der Liebe,
ein Freund der Freundlichkeit,
willst nicht, daß uns betrübe
Zorn, Zank, Haß, Neid und Streit.

Der Heilige Geist lehrt beten, er hält nichts vom Trauern - ja er ist ein Geist der Freude, der tröstet. Schließlich ist er ein Geist der Liebe. - Paul Gerhardt kannte seinen Gott. -
Er hat nur die Texte der Lieder, Gedichte, geschrieben. Seine Freunde in Berlin, die Kantoren Johann Crüger und Johann Georg Ebeling haben sie vertont. Johann Crüger vertonte dieses Lied im Jahre 1653. -

Das zweite Lied wurde sechs Jahre nach Gerhardts Tod von dem Stadtmusiker Jakob Hintze in Berlin vertont. Im Gesangbuch steht "Gib dich zufrieden ..." in der Abteilung "Glaube, Liebe, Hoffnung" und ist dem Abschnitt "Angst und Vertrauen" zugeordnet. Viele von uns kennen es als Lied, das auf Beerdigungen gesungen wird. Hören wir hinein:

Gib dich zufrieden und sei stille
in dem Gotte deines Lebens!
In ihm ruht aller Freuden Fülle,
ohn ihn mühst du dich vergebens,
er ist dein Quell und deine Sonne,
scheint täglich hell zu deiner Wonne.
Gib dich zufrieden.

Viele verstehen dieses "Gib dich zufrieden und sei stille ..." als eine Aufforderung zur Resignation: Sei zufrieden mit dem, was du hast. Streng dich nicht mehr an. Aber das ist nicht Paul Gerhardts Aussage. Er ist durchaus ein Kämpfer! Resignation liegt ihm nicht – auch nicht das Kuschen vor dem Schicksal, das ihn schlägt. Er meint etwas anderes - und das macht mir das Lied so lieb und wertvoll .
"Gib dich zufrieden" - das heißt, ergib dich nicht der Hektik dieser Welt; sage nicht immer "nein" zum Leben und zu allem, was es dir bringt! - Und Gerhardt sagt, warum er in diesem Sinne "zufrieden" sein kann. Sein Gott ist die Fülle der Freude, von ihm kommt Kraft und Licht. Warum willst du dann unzufrieden sein und mit deinem Schicksal hadern?

Er ist voll Lichtes, Trost und Gnaden,
ungefärbten, treuen Herzens,
wo er steht, tut dir keinen Schaden
auch die Pein des größten Schmerzens,
Kreuz, Angst und Not
kann er bald wenden ---

Wie dir's und andern oft ergehe,
ist ihm wahrlich nicht verborgen,
er sieht und kennet aus der Höhe
der betrübten Herzen Sorgen.
Er zählt den Lauf der heißen Tränen
und faßt zuhauf all unser Sehnen.
Gib dich zufrieden!

Er hört die Seufzer deiner Seelen
und des Herzens stilles Klagen,
und was du keinem darfst erzählen,
magst du Gott gar kühnlich sagen.
Er ist nicht fern, steht in der Mitten,
hört bald und gern der Armen Bitten.
Gib dich zufrieden.

Ja, das ist ein Trösten aus dem Herzen heraus und aus Glaubenserfahrung, die Kraft gibt! Licht und Trost und Gnade - das ist Gottes Fülle - und unser Schutz vor Kreuz, Angst und Not, die uns in Verzweiflung stürzen wollen. Wir sind vor all dem nicht sicher. Aber wir wissen, daß Gott bei uns ist. Da hat es die Verzweiflung schwer.
Und schließlich kennt Gott uns. Ihm dürfen wir alles sagen. Nicht, daß wir ihm damit Neues sagen könnten. Aber wir selbst erleben das Gesagte neu und anders. Indem wir es Gott sagen, erhält es eine andere Dimension.

Biographische Züge hat das Lied "Ich bin ein Gast auf Erden . . .", das wir unter Nummer 529 im Gesangbuch finden. Paul Gerhardt beschreibt darin einige seiner Lebenserfahrungen. Lassen Sie mich nun mit Worten von Paul Gerhardt enden:

Ich weiß, mein Gott,
dass all mein Tun und Werk
in deinem Willen ruhn,
von dir kommt Glück und Segen,
was du regierst, das geht und steht
auf rechten, guten Wegen.
Amen

Kanzelsegen
Der Friede Gottes, welcher höher ist als all unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus! Amen.


MATERIALIEN

Lieder
"Wach auf, mein Herz. ..." eg 446
"Zieh ein zu deinen Toren ..." eg 133
"Gib dich zufrieden und sei stille ..." eg 371
"Lobet den Herren alle, die ihn ehren ..." eg 447
"Sprich ja zu meinen Taten ..." eg 446
"Geh aus mein Herz und suche Freud ..." eg 503 (Zusatzangebot)
Psalm 27, eg 713.2

Lesung: Epheser 3, 14 - 21
Fürbittengebet: "Gott, so viele leben in unserer Stadt ..." eg 928, S. 1428

Kommentare
- "Stuttgarter Erklärungsbibel" nach Martin Luther
Stuttgart. Deutsche Bibelgesellschaft. 2.A. 1992, S. 1358
- "Neue Jerusalemer Bibel. "Einheitsübersetzung mit dem Kommentar der
Jerusalemer Bibel
Freiburg. Herder.12.A. 2001, S. 1538
- Schulz, Siegfried
"Das Evangelium nach Johannes" übersetzt und erkläret
Göttingen. Vandenhoeck & Ruprecht. 14 .A . 1978, S. 187 - 192 , NTD Bd. 4
- Voigt, Gottfried
"Homiletische Auslegung der Predigttexte" Reihe V: "Die bessere Gerechtigkeit"
Göttingen. Vandenhoeck & Ruprecht. 2.A.1988, S. 248 - 255
- Scharf, Kurt in "Assoziationen. Gedanken zu biblischen Texten"
Band 5, 1982, S. 112 f Stuttgart. Radius Verlag.

Zeitungsartikel

- DER WEG - Zeitung im Gebiet der Rheinischen Landeskirche -
Nr. 22 vom 27.05.2001

Bunners, Christian: "Lieder für die Menschen wahr und schön"
325. Todestag. Einige Strophen von Paul Gerhardt gehören zu den bekanntesten Texten deutscher Sprache überhaupt.

Nachtrag 2009

- Bunners, Christian
"Paul Gerhardt : - Weg - Werk Wirkung" Göttingen. Vandenhoeck & Ruprecht 4. A. 2007, 319 S.
- Gerhardt, Paul
"Sämtliche deutsche Gedichte" mit Illustrationen von Egbert Herfurth und Melodien von 10 Liedern im Anhang
herausgegeben von Reinhard Mawick, mit einer Einführung von Inge Mager Leipzig. Faber & Faber. 2.A.2007, 274 S.
- Becker, Hansjakob und 7 andere (Hrsg.)
"Geistliches Wunderhorn. Große deutsche Kirchenlieder" München. C.H. Beck. 2001, 3. 249 - 290; 299 - 309

Hinweis
Der Gottesdienst am 27.05.2001 wurde in Rheindorf-Süd gehalten, in der Lukaskirehe3 Wittenbergstr. 5. Die Paul-Gerhardt-Kirche liegt im Pfarrbezirk Rheindorf-Nord, Elbestr. 6. Seit dem Jahre 2003 plante die Evangelische Gemeinde Leverkusen-Rheindorf den Neubau eines Gotteshauses. Die beiden Kirchen in Rheindorf-Süd und in -Nord sind aufgegeben. Jetzt hat die Gemeinde eine Kirche, die Hoffnungkirche. Im Jahre 1986 lebten im Stadtteil Rheindorf 15.867 Einwohner, darunter waren 5.308 evangelisch. Achtzehn Jahre später, im Jahre 2004, lebten 16.377 Einwohner im Stadtteil, darunter 3.823 evangelische. Der Anteil der Evangelischen im Stadtteil Rheindorf ist in dieser Zeit von 33 auf 23 v.H. gesunken.
Dann noch ein persönlicher Hinweis: Im Jahre 1965 wurden meine Frau und ich in der Lukaskirche getraut - in Rheindorf-Nord gab es noch keine Kirche. In der Paul-Gerhardt-Kirche wie in der Lukaskirche habe ich später als Lektor und Predigthelfer Gottesdienste gehalten. - Auf diese Weise verbindet sich persönliche Biographie mit dem Schicksal der Kirche vor Ort.

Helmut Böhme

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