ANSPRACHE aus Anlaß einer Goldhochzeit am 17.07.1993
Fürchte dich vor keinem, was du leiden wirst!
Siehe der Teufel wird
etliche von euch ins Gefängnis werfen,
auf daß ihr versucht werdet
und werdet Trübsal haben zehn Tage.
Sei getreu bis in den Tod,
so will ich dir die Krone
des Lebens geben.
Offb. 2,10 Luthertext, 1912
Liebes Ehepaar,
fünfzig Jahre sind eine lange Zeit im Leben eines Menschen. Sie umfassen Höhen und Tiefen - Freud und Leid. Noch viel mehr aber gilt diese Erfahrung für gemeinsam verlebte Jahre.
Lassen Sie uns einen Blick in die Vergangenheit werfen - damals, im Jahre 1943, als Sie von Pfarrer A. in L. getraut wurden, war Krieg. Ihr Trauspruch aus dem Buch der Offenbarung des Johannes hatte einen ganz konkreten Bezug auf die Zeit:
Fürchte dich nicht vor dem, was du wirst leiden müssen.
Ihr Lebensweg war von Leiden begleitet.
... ihr werdet Trübsal haben ...
0 ja - Not und Leid haben Sie nicht verschont. Der Krieg hat Sie voneinander getrennt. Als Soldat und als Hilfsschwester im Lazarett begegneten Sie beide dem Leiden der anderen und dem Tod. Und Sie blieben auch selbst nicht verschont - von Krankheit und Verwundung.
Aber der Seher hat das Leiden begrenzt:
... ihr werdet in Bedrängnis (Luther 1984)/ in Trübsal (Luther 1 12) sein zehn Tage ...
So einfach war das bei Ihnen nicht. Aber es stimmt am Ende doch: Nach allem Leid ging es doch immer wieder weiter - und es ging aufwärts.
Im Rückblick auf das Leben Ihrer Eltern und Großeltern stellen Sie dankbar fest, daß Sie vieles von dem, was Sie erarbeitet haben, be-wahren konnten und jetzt im Alter auskosten.
Wie vielen Menschen wird - auch heute noch - im Alter die letzte Zuflucht, die letzte Habe genommen! Wo immer Krieg herrscht, da geschieht das - auch heute noch, so in Jugoslawien bei uns in Europa oder in Afrika, etwa im Somalia.
Und schließlich sagt der Seher im Namen Gottes uns zu:
Sei getreu bis in den Tod, so will ich dir die Krone . des Lebens geben.
Sei getreu bis in den Tod ..., das heißt hier, nicht nachzulassen in der Nachfolge des Gottes, der uns liebt. Das ist nicht leicht in einer Welt des Hasses, des Krieges, in einer Welt, in der es um Tod oder Leben geht. Und doch haben Sie sich auf diese Nachfolge eingelassen - und Sie haben überlebt.
Im Rückblick mögen Sie schon die gnädige Hand unseres Gottes darin sehen, daß er sie füreinander erhalten hat und daß Sie überlebten. Eine weitere Fügung Gottes kann es gewesen sein, daß Sie in den letzten Kriegstagen im gleichen Lazarett sein konnten.
Und alles, was danach folgte - es war bei aller Mühsal zugleich auch eine gnädige Führung unseres Gottes: Daß Sie, Herr NN, trotz der vielen Verwundungen arbeiten konnten, daß Sie hier in Leverkusen Arbeit fanden und daß Sie darüber hinaus in mühevoller Arbeit nach Feierabend ihr eigenes Haus bauen konnten.
Dankbar sind Sie beide auch für Ihre Tochter und die Enkelkinder.
Es fällt Ihnen nicht leicht, die jungen Menschen von heute zu
verstehen. Denen fällt vieles so einfach in den Schoß. Oft wissen die Leute heute nicht, was es heißt, zu arbeiten - und was es bedeutet, sich selbst sein Leben mühevoll unter Entbehrungen zu erarbeiten.
Trotz alledem sind Sie nicht verbittert und schließen sich nicht aus. Dennoch haben 'Sie sich die Kraft bewahrt, dankbar und fröhlich zu sein.
Das ist etwas von dem, was der Seher Johannes den "Kranz des Lebens" mit dem Gott diejenigen belohnt, die ihm die Treue halten.
"Ich möchte es nicht so ernst haben" - so oder so ähnlich sagten Sie, Frau NN, als Sie mir die Lieder angaben, die wir jetzt im Anschluß singen.
Deshalb schließe ich jetzt mit einem Wort des Apostels Paulus, das er den Christen in Thessaloniki schrieb:
Seid allesamt fröhlich, betet ohne Unterlaß, seid dankbar in allen Dingen; denn das ist der Wille Gottes in Christus Jesus an euch.
1. Thess. 5,16
Er aber, der Gott des Friedens, heilige euch durch und durch und bewahre euren Geist und Leib unversehrt, untadelig für die Ankunft unseres Herrn Jesus Christus.
1. Thess. 5,23
Amen.
Lieder
EKG 347 Lobet den Herren, alle, die ihn ehren ... eg 447
EKG 236 Bis hierher hat mich Gott gebracht ... eg 329
EKG 371 Geh aus, mein Herz und suche Freud ... eg 503
Materialien
Lohse, Eduard
"Die Offenbarung des Johannes" - Übersetzung und Kommentar -
Göttingen, Vandenhoeck & Ruprecht. 12.A. 1979, S.26 - 27
erschienen in der Reihe
"Neues Testament Deutsch" - NTD - Band 11
Müller, Ulrich B.
"Die Offenbarung des Johannes" - Kommentar -
Gütersloh, Gütersloher Verlagshaus.2.A.1995, S. 104 - 109
Ökumenischer Taschenbuchkommentar zum Neuen Testament, Band 19
Jens, Walter in
"Assoziationen. Gedanken zu biblischen Texten", Band 4, S.192 f
Stuttgart, Radius Verlag.1981.
Dokumentation
02.02.1943 Die 6. deutsche Armee unter Generalfeldmarschall Paulus kapituliert und geht in russische Gefangenschaft. Damit haben die Truppen der UdSSR Stalingrad zurückerobert .
24.07. - 03.08. 1943
Große Teile Hamburgs werden durch Fliegerangriffe zerstört. Die Menschenverluste sind erheblich.
19.04. - 16.05.1943
Der Aufstand von 60.000 Juden im Ghetto von Warschau wird durch brutalen "Polizeieinsatz" niedergeschlagen, fast alle Juden getötet. '.
Nach 17 Monaten Belagerung eröffnen sowjetische Truppen Zugang zu Leningrad
17.07.1943 Heirat des Jubelpaares
Ehemann hat drei Tage Heiratsurlaub bekommen, danach im Nordteil der Ostfront eingesetzt, Leningrad
Quellen
"Der große Ploetz. Die Daten-Enzyklopädie der Weltgeschichte. Daten, Fakten, Zusammenhänge"
Lizenzausgabe von PLOETZ im Verlag Herder in Freiburg/Breisgau erschienen bei der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft, Darmstadt, 32.A.2000, S. 782 f
Stein, Werner
"Kulturfahrplan. Die wichtigsten Daten der Kulturgeschichte von Anbeginn bis 1963"
Frankfurt/Main, Büchergilde Gutenberg.1968, S. 1150 ff Lizenzausgabe des Verlags F.A.Herbig, Berlin und Wünschen. 1946 ff
Persönliche Mitteilung des Jubilars aus dem Vorgespräch am 15.07.1993
Nachbemerkung
Für die Beteiligten war der geschichtliche Hintergrund immer präsent. Sie brauchten und wollten auch keine Hinweise darauf oder Erklärungen dazu. Jetzt, im Internet, sollten für nachwachsendes Generationen die zeitgeschichtlichen Hintergründe und Zusammenhänge aufgezeigt werden. Es ist heute kaum nachzuvollziehen, wie bedroht die menschliche Existenz war, wenn nach drei Tagen Heiratsurlaub die Versetzung auf einen gefährlichen Frontabschnitt zu erwarten war und in der Heimat vernichtende Angriffe feindlicher Bombergeschwader die Städte in Schutt und Asche legten.
Lighthouse-Gottesdienst
vor 10 Stunden
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