Dienstag, 30. Juni 2009

Wie können wir den Grund legen?

Morgenandacht beim Predigthelferkurs I der Evangelischen Kirche im Rheinland - EKiR - im Joseph-Hromadka-Haus in Stolberg-Zweifall bei Aachen am 06.04.1984

EKG 542, 1 + 2 Er weckt mich alle Morgen eg 452, 1+2

Wir hören zunächst aus dem Buch Esra im dritten Kapitel die Verse 9 bis 11 :

(9) Und Jeschua mit seinen Söhnen und seinen Brüdern Kadmici, Binnui und Hodawja traten einmütig an, um die Arbeiter im Hause Gottes anzuleiten, dazu die Söhne Hanadads mit ihren Söhnen und ihren Brüdern, die Leviten.
(10) Und als die Bauleute den Grund legten zum Tempel des Herrn, stellten sich die Priester auf in ihren Amtskleidern mit Trompeten und die Leviten, die Söhne Asaf, mit Zimbeln, um den Herrn zu loben nach der Ordnung Davids, des Königs von Israel.
(11) Und sie stimmten den Lobpreis an und dankten dem Herrn:
Denn er ist gütig und seine Barmherzigkeit währt ewiglich über Israel. Und das ganze Volk jauchzte laut bei Lobe des Herrn, weil der Grund zum Hause des Herrn gelegt war.
Esra 3, 9 - 11
Dann hören wir noch ein Wort des Apostels Paulus, das er den Christen in Korinth schrieb:
(9) Denn wir sind Gottes Mitarbeiter; ihr seid Gottes Ackerfeld und Gottes Bau.
(10) Ich nach Gottes Gnade, die mir gegeben ist, habe den Grund gelegt als ein weiser Baumeister; ein anderer baut darauf. Ein jeder aber sehe zu, wie er darauf baut.
(11) Einen anderen Grund kann niemand legen als den, der gelegt ist, welcher ist Jesus Christus.
1. Kor. 3, 9 - 11

Die Berichte im Alten und Neuen Testament beschreiben einen Hausbau.
Bei Esra ist es der Bau des Tempels in Jerusalem, der durch Spenden einzelner Stämme des Volkes Israel auf Befehl Gottes möglich wird. Die Bauleute legen das Fundament. Priester und Leviten stimmen den Lobgesang an - das Volk jubelt.
Paulus schreibt der Gemeinde in Korinth, daß sich alle Arbeit - auch die Arbeit unter dem Worte Gottes - im letzten Gericht bewährt. Dies ist der letzte Maßstab - und nicht menschliches Tun und Denken. Er selbst, Paulus, habe nach Gottes Gnade den Grund gelegt als weiser Baumeister, ein anderer baue nun darauf. Jeder solle nun darauf achten, wie er darauf baue. Es gebe keinen anderen Grund, kein anderes Fundament als jenes, das in Jesus Christus, in seinem Kreuz und in seiner Auferstehung gegeben ist.
Wir sind hier in Zweifall versammelt - nicht, weil es uns hier besonders gut gefällt, sondern weil wir gerufen wurden, weil wir einen Auftrag erhalten haben. Am ersten Tag haben wir es schon ausgesprochen: Diesen Auftrag können wir nur erfüllen, wenn wir ein tragfähiges Fundament für diese Arbeit gelegt haben.
Weise Baumeister haben sich bemüht, damit wir gemeinsam mit ihnen ein solches Fundament zuwege brachten - heute und morgen sind weitere bei uns.
Doch schon am ersten Tage, bei unserer Arbeit am Alten Testament, wurde uns deutlich, wie gefährlich eine solche Arbeit sein kann. Einige erfaßte leichter Schwindel - und vielleicht ging es nicht nur einigen, wenigen so. Mancher hat sich dabei gefragt, ob diese Baumeister so weise wohl sein mögen, wie wir es um unserer Arbeit willen erhofften. Der eine oder andere fragte sich vielleicht, ob die Gnade Gottes wohl das alles auffangen kann, was uns als möglicher Mangel erschien.
Ja, wie ist das mit der historisch-kritischen Forschung, wie ist das mit unserem Kinderglauben und wie ist das mit unserem Unvermögen, das wir oft besser kennen als unser Können? Wir haben uns selbst, uns gegenseitig und unseren Bauleuten nichts geschenkt.
Anstrengend war es und keineswegs eine Frei-Zeit oder ein "Kursus", wie es offiziell heißt. Wir haben eine Rüstzeit, eine Zu-Rüstung erfahren für unsere Arbeit am großen Bau der Gemeinde Jesu Christi. Uns ist deutlich geworden, daß wir ganz kleine Bauleute sind, die mit begrenzten Mitteln an einer bestimmten Stelle an diesen Bau mitbauen.
Paulus nimmt uns mit seinen Wort die Zweifel, ob wir diese Arbeit auch bewältigen können. Er nimmt die innere Not hinweg, die uns fürchten ließ, die Grundfesten unseres Glaubens gerieten in Gefahr. Es gibt nur einen Grund, ein einziges wirklich tragfähiges Fundament - und das ist Jesus Christus. Paulus selbst hat in der Gnade Gottes dieses Fundament legen helfen.
Was immer wir also tun, wo immer wir mit unserer nicht immer schulgerechten und deshalb wilden Bauerei hingeraten, wir müssen - und wir können das auch - immer von neuem den Grund suchen, auf dem wir stehen. Die Instrumente dazu, Wasserwaage und Lot, haben uns die Baumeister gezeigt. Sie haben uns in der Anwendung an - geleitet. Wir sind jetzt zwar keine gelernten - aber an-gelernte Bauleute. In diese Anlernzeit gehören auch die Abende, an denen wir vom Kirchenkampf hörten. Was wir hörten, ist mahnendes Warnzeichen dafür, wohin es führen kann, wenn Baumeister und Bauleute, ob gelernt, angelernt oder ungelernt, weder Wasserwaage noch Lot benutzen oder beides falsch anwenden.
Wir haben in dieser Zeit aber auch erfahren, daß unsere Bauleute tatsächlich etwas von der Weisheit des Paulus gezeigt haben - jeder auf seine Weise - und daß wir alle gehalten sind in der Gnade Gottes.
Wir sind dankbar für diese Erfahrung und für diese Rüstzeit in Zweifall.
- Wie das Volk Israel bei der Grundsteinlegung des Tempels in Jerusalem so können auch wir Gott danken - dafür, daß er uns gerufen hat und dafür, daß er uns hilft. Amen.

EKG 503, 1+2 Danket dem Herrn! Wir danken dem Herrn ... eg 333, 1 + 2

Herr Jesus Christus,
der du unsere Sünde am Kreuz getragen und uns zu deinem Eigentum erworben hast, verleihe uns, daß wir durch das Opfer deiner Liebe getröstet und zu einem Leben in deinem Dienst geheiligt werden, um deines bitteren Leidens und Sterbens willen. Amen.
EKG S. 1044, Ziff. 3


Materialien

- "Stuttgarter Erklärungsbibel" - Lutherübersetzung mit Einführung und Erklärungen - Stuttgart. 2.A.1992, S. 584, 587 f; S. 1464
- "Neue Jerusalemer Bibel" - Einheitsübersetzung mit dem Kommentar der Jerusalemer Bibel, neu bearbeitete und erweiterte Ausgabe Deutsch herausgegeben von Alfons Deissler und Anton Vögtle in Verbindung mit Johannes M. Nützel Freiburg. Herder. 12.A. 1985.2001, S. 563, 566 f;S.1651, 1654
- Wendland, Heinz-Dietrich
"Die Briefe an die Korinther", übersetzt und kommentiert Göttingen. Vandenhoeck & Ruprecht. 15.A. 1980, S. 1 - 5, 33 f - NTD 7 -
- Voigt, Gottfried
"Homiletische Auslegung der Predigttexte" Neue Folge. Reihe VI: "Die lebendigen Steine" Göttingen. Vandenhoeck & Ruprecht.2.A. 1989, S. 337 - 343
- Gunneweg, Antoniua H. J.
"Geschichte Israels. Von den Anfängen bis Bar Kochba und von Theodor Herzl bis zur Gegenwart" Stuttgart. Berlin. Köln. W. Kohlhammer 6.a. 1989, S.135 - 140
- EKG "Evangelisches Kirchengesangbuch". Ausgabe für die Landeskirchen Rheinland, Westfalen und Lippe" Dieses Gesangbuch war bis zum Jahre 1996 in Gebrauch.
- eg "Evangelisches Gesangbuch". Ausgabe für die Evangelische Kirche im Rheinland, die Evangelische Kirche von Westfalen, die Lippische Landeskirche in Gemeinschaft mit der Evangelisch-reformierten Kirche (Synode evangelisch-reformierter Kirchen in Bayern und Nordwestdeutschland)". 1.A. 1996. 2. A. 1998


Anmerkung

Die Morgenandacht wurde anhand des Bibeltextes und des EKG verfaßt.
Das Gebet war für den Freitagmorgen im EKG angeboten. Ein Gebet in dieser Form findet sich nicht im eg, dafür die Freitagsgebete unter Nummern 932 bis 937. Die Angaben zu den Materialien sollen aktualisierende und weiterführende Hinweise bieten.
Da die Zeit viele Veränderungen gebracht hat, sei noch angefügt: Predigthelfer waren in der EKiR die Laienprediger, die nach zwei Kursen zum Dienst an Gottes Wort und zur Verwaltung der Sakramente ordiniert wurden. Seit 2005 gilt das Predigthelfergesetz nicht mehr, sondern wurde abgelöst durch das Prädikantinnen- und Prädikantengesetz. Vom gleichen Jahr an gilt das Ordinationsgesetz in der EKiR.

Helmut Böhme

Goldhochzeit - Bewährung im Glauben

ANSPRACHE aus Anlaß einer Goldhochzeit am 17.07.1993

Fürchte dich vor keinem, was du leiden wirst!
Siehe der Teufel wird
etliche von euch ins Gefängnis werfen,
auf daß ihr versucht werdet
und werdet Trübsal haben zehn Tage.

Sei getreu bis in den Tod,
so will ich dir die Krone
des Lebens geben.
Offb. 2,10 Luthertext, 1912

Liebes Ehepaar,
fünfzig Jahre sind eine lange Zeit im Leben eines Menschen. Sie umfassen Höhen und Tiefen - Freud und Leid. Noch viel mehr aber gilt diese Erfahrung für gemeinsam verlebte Jahre.
Lassen Sie uns einen Blick in die Vergangenheit werfen - damals, im Jahre 1943, als Sie von Pfarrer A. in L. getraut wurden, war Krieg. Ihr Trauspruch aus dem Buch der Offenbarung des Johannes hatte einen ganz konkreten Bezug auf die Zeit:
Fürchte dich nicht vor dem, was du wirst leiden müssen.
Ihr Lebensweg war von Leiden begleitet.
... ihr werdet Trübsal haben ...
0 ja - Not und Leid haben Sie nicht verschont. Der Krieg hat Sie voneinander getrennt. Als Soldat und als Hilfsschwester im Lazarett begegneten Sie beide dem Leiden der anderen und dem Tod. Und Sie blieben auch selbst nicht verschont - von Krankheit und Verwundung.
Aber der Seher hat das Leiden begrenzt:
... ihr werdet in Bedrängnis (Luther 1984)/ in Trübsal (Luther 1 12) sein zehn Tage ...
So einfach war das bei Ihnen nicht. Aber es stimmt am Ende doch: Nach allem Leid ging es doch immer wieder weiter - und es ging aufwärts.
Im Rückblick auf das Leben Ihrer Eltern und Großeltern stellen Sie dankbar fest, daß Sie vieles von dem, was Sie erarbeitet haben, be-wahren konnten und jetzt im Alter auskosten.
Wie vielen Menschen wird - auch heute noch - im Alter die letzte Zuflucht, die letzte Habe genommen! Wo immer Krieg herrscht, da geschieht das - auch heute noch, so in Jugoslawien bei uns in Europa oder in Afrika, etwa im Somalia.
Und schließlich sagt der Seher im Namen Gottes uns zu:
Sei getreu bis in den Tod, so will ich dir die Krone . des Lebens geben.
Sei getreu bis in den Tod ..., das heißt hier, nicht nachzulassen in der Nachfolge des Gottes, der uns liebt. Das ist nicht leicht in einer Welt des Hasses, des Krieges, in einer Welt, in der es um Tod oder Leben geht. Und doch haben Sie sich auf diese Nachfolge eingelassen - und Sie haben überlebt.
Im Rückblick mögen Sie schon die gnädige Hand unseres Gottes darin sehen, daß er sie füreinander erhalten hat und daß Sie überlebten. Eine weitere Fügung Gottes kann es gewesen sein, daß Sie in den letzten Kriegstagen im gleichen Lazarett sein konnten.
Und alles, was danach folgte - es war bei aller Mühsal zugleich auch eine gnädige Führung unseres Gottes: Daß Sie, Herr NN, trotz der vielen Verwundungen arbeiten konnten, daß Sie hier in Leverkusen Arbeit fanden und daß Sie darüber hinaus in mühevoller Arbeit nach Feierabend ihr eigenes Haus bauen konnten.
Dankbar sind Sie beide auch für Ihre Tochter und die Enkelkinder.
Es fällt Ihnen nicht leicht, die jungen Menschen von heute zu
verstehen. Denen fällt vieles so einfach in den Schoß. Oft wissen die Leute heute nicht, was es heißt, zu arbeiten - und was es bedeutet, sich selbst sein Leben mühevoll unter Entbehrungen zu erarbeiten.
Trotz alledem sind Sie nicht verbittert und schließen sich nicht aus. Dennoch haben 'Sie sich die Kraft bewahrt, dankbar und fröhlich zu sein.
Das ist etwas von dem, was der Seher Johannes den "Kranz des Lebens" mit dem Gott diejenigen belohnt, die ihm die Treue halten.
"Ich möchte es nicht so ernst haben" - so oder so ähnlich sagten Sie, Frau NN, als Sie mir die Lieder angaben, die wir jetzt im Anschluß singen.
Deshalb schließe ich jetzt mit einem Wort des Apostels Paulus, das er den Christen in Thessaloniki schrieb:
Seid allesamt fröhlich, betet ohne Unterlaß, seid dankbar in allen Dingen; denn das ist der Wille Gottes in Christus Jesus an euch.
1. Thess. 5,16
Er aber, der Gott des Friedens, heilige euch durch und durch und bewahre euren Geist und Leib unversehrt, untadelig für die Ankunft unseres Herrn Jesus Christus.
1. Thess. 5,23
Amen.
Lieder
EKG 347 Lobet den Herren, alle, die ihn ehren ... eg 447
EKG 236 Bis hierher hat mich Gott gebracht ... eg 329
EKG 371 Geh aus, mein Herz und suche Freud ... eg 503

Materialien
Lohse, Eduard
"Die Offenbarung des Johannes" - Übersetzung und Kommentar -
Göttingen, Vandenhoeck & Ruprecht. 12.A. 1979, S.26 - 27
erschienen in der Reihe
"Neues Testament Deutsch" - NTD - Band 11
Müller, Ulrich B.
"Die Offenbarung des Johannes" - Kommentar -
Gütersloh, Gütersloher Verlagshaus.2.A.1995, S. 104 - 109
Ökumenischer Taschenbuchkommentar zum Neuen Testament, Band 19
Jens, Walter in
"Assoziationen. Gedanken zu biblischen Texten", Band 4, S.192 f
Stuttgart, Radius Verlag.1981.

Dokumentation

02.02.1943 Die 6. deutsche Armee unter Generalfeldmarschall Paulus kapituliert und geht in russische Gefangenschaft. Damit haben die Truppen der UdSSR Stalingrad zurückerobert .
24.07. - 03.08. 1943
Große Teile Hamburgs werden durch Fliegerangriffe zerstört. Die Menschenverluste sind erheblich.
19.04. - 16.05.1943
Der Aufstand von 60.000 Juden im Ghetto von Warschau wird durch brutalen "Polizeieinsatz" niedergeschlagen, fast alle Juden getötet. '.
Nach 17 Monaten Belagerung eröffnen sowjetische Truppen Zugang zu Leningrad
17.07.1943 Heirat des Jubelpaares
Ehemann hat drei Tage Heiratsurlaub bekommen, danach im Nordteil der Ostfront eingesetzt, Leningrad
Quellen
"Der große Ploetz. Die Daten-Enzyklopädie der Weltgeschichte. Daten, Fakten, Zusammenhänge"
Lizenzausgabe von PLOETZ im Verlag Herder in Freiburg/Breisgau erschienen bei der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft, Darmstadt, 32.A.2000, S. 782 f
Stein, Werner
"Kulturfahrplan. Die wichtigsten Daten der Kulturgeschichte von Anbeginn bis 1963"
Frankfurt/Main, Büchergilde Gutenberg.1968, S. 1150 ff Lizenzausgabe des Verlags F.A.Herbig, Berlin und Wünschen. 1946 ff
Persönliche Mitteilung des Jubilars aus dem Vorgespräch am 15.07.1993

Nachbemerkung
Für die Beteiligten war der geschichtliche Hintergrund immer präsent. Sie brauchten und wollten auch keine Hinweise darauf oder Erklärungen dazu. Jetzt, im Internet, sollten für nachwachsendes Generationen die zeitgeschichtlichen Hintergründe und Zusammenhänge aufgezeigt werden. Es ist heute kaum nachzuvollziehen, wie bedroht die menschliche Existenz war, wenn nach drei Tagen Heiratsurlaub die Versetzung auf einen gefährlichen Frontabschnitt zu erwarten war und in der Heimat vernichtende Angriffe feindlicher Bombergeschwader die Städte in Schutt und Asche legten.

Montag, 29. Juni 2009

Das Lied der Geretteten

28.04.2002 Sonntag Kantate

Kanzelgruß
Gnade sei mit euch und Friede von dem,
der da ist, der da war und der da kommt:
Jesus Christus, der uns lieb hat. Amen.
nach Offb. 1,4+5

Der für den Sonntag Kantate vorgeschlagene Predigttext steht in der Offenbarung des Johannes. Der Seher Johannes hat Erscheinungen. Er sieht Bilder, die andere nicht sehen. Er hat Visionen. Hören wir ihm zu:

(2) "Und ich sah, und es war wie ein gläsernes Meer, mit Feuer vermengt; und die den Sieg behalten hatten über das Tier und sein Bild und über die Zahl seines Namens, die standen an dem gläsernen Meer und hatten Gottes Harfen
(3) und sangen das Lied des Mose, des Knechtes Gottes, und das Lied des Lammes: Groß und wunderbar sind deine Werke, Herr, allmächtiger Gott! Gerecht und wahrhaftig sind deine Wege, du König der Völker.
(4) Wer sollte dich, Herr, nicht fürchten und deinen Namen nicht preisen? Denn du allein bist heilig! Da, alle Völker werden kommen und anbeten vor dir, denn deine gerechten Gerichte sind offenbar geworden."
Offb. 15, 2-4

Lieber himmlischer Vater,
hilf uns, diese Bilder als deine Botschaft zu verstehen. Amen.

Der Seher Johannes hört (Audition) und sieht (Vision), was in der Zukunft geschieht. Keiner von uns weiß, wann und wie das sein wird. Der Seher berichtet von Bildern, die offensichtlich verschlüsselte Botschaften enthalten.
Das Lamm (= Christus) kämpft und besiegt (mit der Hilfe des Erzengels Michael) den Drachen (= das Böse, Satan, den Teufel). Dieser "Kampf“ findet im Himmel statt. Das gläserne Meer soll den durchsichtigen Himmelskörper darstellen.
Doch der Drache gibt nicht auf - und große Erschütterungen müssen die Erde treffen, ehe endgültig der Sieg des Lammes errungen und das Ende der Welt, der jüngste Tag, - und der Sieg der Geretteten gekommen ist.

Ein dramatische Gemälde stellt uns der Seher Johannes vor - ein audiovisuelles Drama läuft da ab. Und vor diesem letzten Akt halten die Kämpfer inne. Der Drache ist besiegt - der Himmel ist Sieger geblieben, die Geretteten jubeln und loben Gottes Stärke, Allmacht, Gerechtigkeit, Wahrhaftigkeit und seine Schöpfung. Das Lied der Sieger kann man es nennen, Meine Bibelausgabe überschreibt es "das Lied der „Überwinder". Ich möchte es das Lied der Geretteten nennen- - wie Mose Gott lobt, nachdem er das Volk der Juden durch das Schilfmeer geleitet hat (2. Mose, 15,11). Hier sind es die geretteten Seelen der Menschen, die nun im Himmel sind.

Paul Gerhardt greift diese Situation auf in seinem Liede

Ist Gott für mich, so trete
gleich alles wider mich,
so oft ich ruf und bete,
weicht alles hinter sich.
Hab ich das Haupt zum Freunde
und bin geliebt bei Gott,
was kann mir tun der Feinde
und Widersacher Rott (eg 351,1).

Aber er ist noch auf dieser unerlösten Erde. Er muß sich mit Krieg, Pest, Hungersnot und Tod auseinandersetzen, den vier apokalyptischen Reitern, die die Erde verwüsten (Offb. 6, 2-9). Aber er sagt uns, was es bedeutet, sich der Liebe Gottes sicher zu sein, seinem Wort vertrauen zu können. Und er schließt mit einem Jubel, den wir uns heute kaum vorstellen können von einem leidgeprüften Mann, der dies Lied im Nachklang des 30jährigen Kriegs (1618 - 1648) schrieb.

Mein Herze geht in Sprüngen
und kann nicht traurig sein,
ist voller Freud und Singen,
sieht lauter Freudenschein!
Die Sonne, die mir lachet,
ist mein Herr Jesus Christ,
das was mich singen machet,
ist, was im Himmel ist.
eg 351, 13

Christen singen, sie jubeln und sie danken für Gottes Liebe und Zuverlässigkeit. Jesus Christus kam auf die Erde, wirkte hier, litt und starb - aber er ist auferstanden von den Toten und aufgefahren in den Himmel. Das ist das Geheimnis des Widerspruchs, den manche Menschen sehen, wenn sie leidende Christen Gott loben hören.
Wenn wir an die Nachrichten denken - an die Kriegsherde in der Welt, vor allem in Israel und Umgebung, an die Gewalt rund um die Erde – und nicht zuletzt an das schreckliche Geschehen in Erfurt - dann fragen uns andere und wir selbst uns wohl auch, ob wir noch, jubeln und Gott loben können.
Sie wissen davon, daß am Freitag, 26.04.2002, also vorgestern, ein 19-jähriger in einem Erfurter Gymnasium 16 Menschen tötet und anschließend Selbstmord begeht (9 Lehrer, 3 Lehrerinnen = 12 Lehrkräfte; 1 Sekretärin, 2 Schülerinnen). Erschüttert stehen wir vor diesem grauenvollen Geschehen. Wir denken an die Opfer, die Angehörigen. - Noch ist es zu früh, Ursachen zu analysieren.
Aber eines können wir wohl sagen: Der Täter kannte nicht die Sonne, die auch für ihn schien. Er kannte nicht, was im Himmel ist und Paul Gerhardt zum Singen bringt.
Jetzt müssen wir unsere Klage vor Gott bringen! Laut schreien:

HERR, warum stehst du so ferne,
verbirgst dich zur Zeit der Not?
Weil der Gottlose Übermut treibt,
müssen die Elenden leiden;
sie werden gefangen in den Ränken, die er ersann. ...
Steh auf! HERR! Gott, erhebe deine Hand!
Vergiß die Elenden nicht! ...

So ruft der Psalmdichter zu Gott in seiner Verzweiflung (Ps 10). Am Ende findet er sich geborgen in der Gewißheit:

Das Verlangen der Elenden hörst du, HERR;
du machst ihr Herz gewiß,
dein Ohr merkt darauf,
daß du Recht schaffest den Waisen und Armen,
daß der Mensch nicht trotze auf Erden.

Für uns ist das Geschehen ein erneuter Anruf: Bist du mit dem, was dir anvertraut ist, hier auf dieser Erde, liebevoll, achtsam und dankbar umgegangen? Haben die Menschen, mit denen wir zusammenkommen, etwas von dieser Liebe spüren können? - Wer von uns kann sagen: So bin ich immer gewesen. Das habe ich immer getan!
Und mehr noch: Den Opfern und den Angehörigen in Erfurt können wir hier nicht viel helfen - außer, für sie zu beten. Aber wir können uns darum mühen, nicht selbst Gewalt anzuwenden und - vor allem - nicht gewalttätig zu denken und zu reden. So bereiten sich Gewalttaten vor.
Das alles kann nur in unseren menschlichen Grenzen gelingen, wenn wir - altmodisch gesagt "Gott die Ehre geben" - uns dankbar Gott zuwenden und sehen, hören und annehmen, was er in seiner Schöpfung und mit all seiner Liebe gibt. Wir erkennen nicht alles. Vieles wissen wir nicht. Aber wir können uns bemühen, aufmerksam zu sein. Wir können die Sonne, den Regen, schmerzfreie Tage, streitfreie Stunden - dankbar annehmen und mit Paul Gerhardt einstimmen:
Das, was mich singen machet, ist, was im Himmel ist.
Dazu möge uns Gott verhelfen! Amen.

Kanzelsegen
Und der Friede Gottes, welcher höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus, unserem HERRN!
Amen.

Lieder:
eg 302 Du meine Seele singe
eg 243 Lob Gott getrost mit Singen
eg 351 Ist Gott für mich, so trete
eg 640 Die Herrlichkeit des Herrn

Materialien:
- "Stuttgarter Erklärungsbibel" Luthertext 1984 - ohne Apokryphen -
mit Einführungen und Erklärungen. Stuttgart. 2.A. 1992
- "Neue Jerusalemer Bibel "Einheitsübersetzung mit Kommentar der
Jerusalemer Bibel. Freiburg.Herder.12.A.1985
- Müller, Ulrich B.
"Die Offenbarung des Johannes", Gütersloh. Gütersloher Verlagshaus.
12. A. 1995, S. 163 - 170, S. 260 - 264
Ökumenischer Taschenkommentar zum Neuen Testament, Band 16, GTB 510
- Lohse, Eduard
"Die Offenbarung des Johannes" Neues Testament Deutsch - NTD 11 -Göttingen. Vandenhoeck & Ruprecht. 12. A. 1979, S. 88f
- Voigt, Gottfried
"Die lebendigen Steine" Homiletische Auslegung der Predigttexte, Reihe VI, Göttingen, V&R, 2.A. 1989, S. 228 - 234
- KÖLNER STADT- ANZEIGER 98 - 2002 - 04 - 27/28-
Titelseite, S. 2 und 3
"Entsetzen nach Blutbad in Erfurter Gymnasium"
"Die Frage nach den Ursachen"
"Wir sind nur gerannt, um da herauszukommen"


Aus der Liturgie


Kollektengebet:
Herr,
du hast alles überwunden,
was uns voneinander trennt
zur Gemeinde uns verbunden,
die den Nächsten anerkennt.
Hilf die Liebe zu erwidern,
die du uns erwiesen hast,
in der Welt an unsern Brüdern,
ihrem Elend, ihrer Last.
Detlev Block nach eg 609

Fürbittengebet:

Gott,
so viele leben in unserer Stadt,
die ihren täglichen Kampf
mit dem Tod allein ausmachen.
Für die keine lebendige Hoffnung mehr ist.
So viele - die wir kennen,
aber deren Sorgen wir
nie ernst genommen haben.

Für die alle bitten wir heute:
Gib ihnen Menschen,
die ihnen deine Liebe vorleben
und sie auf den Weg mitnehmen
vom Dunkel ins Licht.

Wir bitten für alle,
die an einem Verlust tragen.
Wir bitten auch für die Angehörigen der Toten
des Anschlags in Erfurt,
für alle, die im Tod oder Leben
einen Geliebten verloren.
Zeig ihnen, daß nichts das letzte Wort hat,
wenn nicht du;
du schenkst Leben ohne Ende.

Wir bitten dich für alle,
die keinen Sinn mehr sehen,
die süchtig sind nach Alkohol, Erfolg, Liebe,
die bei der verzweifelten Anstrengung zu überleben
sich zu Außenseitern machen oder dazu gemacht werden.

Laß sie Gesprächspartner finden,
zur Ruhe kommen in dir.

Wir bitten für alle nah und fern,
die unter anderen Menschen leiden müssen.
Wir bitten
für die Opfer des Anschlags in Erfurt,
- die Kinder, die ansehen mußten, wie Mitschülerinnen, Mitschüler, Lehrerinnen und Lehrer getötet wurden,
- die Lehrerinnen und Lehrer, die nicht helfen konnten,
- die Polizistinnen und Polizisten, die Helferinnen und Helfer, die das Grauen dieses Einsatzes lange Zeit nicht vergessen können.

Wir bitten für die,
die dich in Krieg und Hunger vergessen,
und für die, die in allem Elend dir noch vertrauen.
Laß sie alle in uns ihre Geschwister finden, die Vertrauen schenken und stärken.
Gott,
du bist ein Gott des Lebens, nicht des Todes.
Mache uns mutig und bereit,
für dies Leben zu kämpfen,
wo der Tod regiert.
Das bitten wir im Namen Jesu.
nach eg 928, S.1428

Wer ist Jesus?

6. Manforter Predigtreihe 2002 in der Evangelischen Johanneskirche Leverkusen-Manfort, Scharnhorststraße 40
- vom 02. bis 23. Juni 2002 -

16.06.2002 3. Sonntag nach Trinitatis

eg 552, 1-3 + 6 Licht, das in die Welt gekommen
eg 752.3, S. U 82 Psalm 119

Kollektengebet
Lieber himmlischer Vater, wir sind dankbar dafür, dass wir immer wieder aufs Neue vom Wirken und von der Frohen Botschaft deines Sohnes Jesus Christus berichten können.

Am dritten Sonntag der Predigtreihe, in der wir nach dem Auftrag deines Sohnes in der Welt fragen, bitten wir dich:
Sei du bei uns und stärke uns
durch deinen Heiligen Geist,
der du mit dem Sohn lebst
und regierst von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen

Epistel zum 3. Sonntag nach Trinitatis:
l. Tim. 1,12-17

eg 268, 1-5 Strahlen brechen viele aus einem Licht
eg 385, 1-3 Mir nach spricht Christus unser Held
eg 938, S. 1433 Fürbittengebet
eg 136,1 O komm, du Geist der Wahrheit

Predigt

Wer ist Jesus?
Vier Mal hintereinander steht diese Frage als Thema der Gottesdienste im Juni auf dem Plan.
Gilt diese Frage uns - gilt sie anderen?

Herr Theis (9.10.1945 bis 10.2.2002) schlug als Thema für die Predigtreihe in diesem Jahr die „Ich-bin-Worte Jesu im Johannesevangelium" vor und war freudig überrascht zu erleben, dass wir anderen sofort zustimmten.

Ich nenne sie:
02.06. - Ich bin das Brot des Lebens.
Peter Richmann Joh. 6,35

09.06. - Ich bin die Tür. Ich bin der gute Hirte.
Jürgen Berghaus Joh. 10,11, 14+1

16.06. - Ich bin das Licht der Welt.
Helmut Böhme Joh. 8,12
Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben
Joh. 14,6

23.06. - Ich bin die Auferstehung und das Leben
Jürgen Berghaus Joh. 11,25

Wir nehmen also Jesus als Zeugen für seine Identität. Die Kritiker fragen: „Du zeugst in eigener Sache. Wer kann dir da glauben?" Die anderen Evangelisten bezeugen Gottes Wort bei der Taufe Jesu durch Johannes den Täufer: „Dies ist mein lieber Sohn ..." (Mk. 1,15; Mt. 3,17; Lk. 3,22). Für den Evangelisten Johannes ist die Einheit von Vater und Sohn so selbstverständlich, dass der Sohn auch seine eigene Identität bezeugen kann: „Wer mich sieht, der sieht den Vater," sagt Jesus (Joh. 14,9).

Hören wir jetzt noch einmal die Worte Jesu für den heutigen Sonntag:
Ich bin das Licht der Welt. Wer mir nachfolgt, der wird nicht wandern in der Finsternis, sondern wird das Licht des Lebens haben. Joh. 8,12
Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater,
denn durch mich. Joh. 14,6

Zunächst: Es geht um Bilder. Wir fragen: Was bedeuten sie?
- Ich bin das Licht der Welt.
Jesus bündelt nicht alles Licht der Welt in sich. Er verkörperte nicht das Licht seiner Zeit - und auch nicht das der Gegenwart mit ihren vielen künstlichen Lichtquellen in der Reklame und anderswo.
Er bringt das Licht der Liebe Gottes in diese Welt hinein - das Licht für diese Welt. In Jesu Leben, Wirken, Leiden und Sterben - ja, auch in Jesu Auferstehung - können wir Gottes Liebe in dieser Welt sehen und spüren. „Licht für diese Welt", das heißt zugleich „Gott wird Mensch in dieser Welt, für diese Welt". Mit dem Lied vor der Predigt haben wir die Wirkung beschrieben, die dieses Licht in der Welt hat. Es überwindet die Nacht - auch in unserem Herzen - und den starren Frost - in unseren Seelen -. Dann brechen Strahlen aus diesem Licht, das Christus ist. Zweige wachsen aus diesem Stamm und vielfältige Gaben werden wirksam, weil wir uns von Gott angenommen und geliebt wissen. Aus den Gaben, die wir haben, entstehen Dienste, für die wir fähig werden - und die ihre Lebenskraft aus dem Geist der Liebe gewinnen. Deshalb ist es wichtig, dass wir diese Dienste auch im Geist der Liebe annehmen. Das gilt für ehrenamtliche Dienste ebenso wie für haupt- und nebenberuflich organisierte Dienste - und für die Vertretungen mancherlei Art: Organisten, Pfarrer, Jugendmitarbeiter und andere mehr.

Jesus fährt dann fort:
Wer mir nachfolgt, der wird nicht wandeln in der Finsternis, sondern wird das Licht des Lebens haben.
Zur Zeit Jesu glaubten viele Menschen, dass die Welt beherrscht würde vom Kampf der Mächte der Finsternis und der Mächte des Lichts. Im Mittelalter vor allem war ganz eindeutig: Der Herrscher im Reich der Finsternis ist der Satan, der Teufel und der Herrscher im Reich des Lichts ist Jesus Christus.
Mich hat erschreckt, dass bis in dieses 21. Jahrhundert hinein dies Muster von Gut und Böse die Auseinandersetzung zwischen den Menschen und zwischen den Staaten beherrscht. Der amtierende Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika spricht nur aus, was viele Menschen auch heute noch denken: Wir stehen auf der Seite des Lichts und kämpfen gegen die Mächte der Finsternis. Und so kommt es dazu, dass Weltpolitik betrieben wird, um die „Achse des Bösen" zu bekämpfen. Präsident George W. Bush erklärte in seiner diesjährigen „Rede zur Lager der Nation" der „Achse des Bösen" den Krieg und nannte den Irak, den Iran und Nordkorea als Staaten, die diese Achse bilden.
Ich bin im Laufe meines Lebens vorsichtig geworden. Es ist ganz natürlich, dass ein Politiker die Gemütslage seiner Wähler und der Bürger des von ihm vertretenen Staates erkennen muß. Es kommt darauf an, wie er mit dieser Erkenntnis umgeht. Schwierig wird es, wenn er das Schwarz-weiß-Denken, das Denken in Kontrasten auf die Weltpolitik überträgt und damit Politik betreiben will.
Ich habe nur ein Beispiel genannt, das Ihnen wohl allen bekannt ist. Es steht für andere vergleichbare Einstellungen. Für mich ist es wichtig, dass Gut und Böse in uns allen angelegt ist. Christus hat die Liebe Gottes in dieser Welt sichtbar gemacht und zum Strahlen gebracht. Wir, wir Menschen, sind es, die uns immer wieder von ihm entfernen, denn wir sind unvollkommen. Wer sich der Liebe Gottes öffnet, wie es das Lied beschreibt, der wird am Ende das „Licht des Lebens" haben, wie Jesus sagt. Am Ende siegt die Liebe - in diesem Leben - und in dem, das danach kommt, davon hören wir am kommenden Sonntag mehr.

— Schließlich das letzte Wort Jesu für den heutigen Sonntag.
Ich bin der Weg,
die Wahrheit und das Leben;
niemand kommt zum Vater denn durch mich. Joh. 14,6

Jesus hat eben seinen Jünger Petrus angekündigt, dass dieser ihn drei Mal verleugnen wird, obwohl dieser streitbare Jünger sein Leben für Jesus opfern will.
Da beruhigt Jesus die Jünger und erklärt ihnen, er gehe ihnen voraus in seines Vaters Haus mit vielen Wohnungen, um ihre Aufnahme dort vorzubereiten.
Die Jünger sind unruhig. Thomas fragt nach dem Weg den Jesus ihnen vorausgehen will. Jesus antwortet ihm: „Ich bin der Weg ...." - Vorhin hieß es „Wer mir nachfolgt ...". Mir scheint, beides meint annähernd das gleiche: Wer sich der Liebe Gottes öffnet, der findet einen Weg, der zu Gott führt.
„Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben ..." Jesus bezeugt hier, dass er der Weg ist, der durch diese Welt - hinaus führt zum Vater, der uns in Liebe aufnimmt.
Im jüdischen Sinne ist „wahr" ein Mensch, der hält, was er verspricht. Wir kennen ein Weihnachtslied, in dessen dritter Strophe es heißt:
... Wahr Mensch und wahrer Gott,
hilft uns aus allen Leide,
rettet von Sund und Tod,
eg 30,3 Es ist ein Ros entsprungen ....
Ein „wahrer" Mensch ist „treu" und „verläßlich". Im Johannesevangelium kann Wahrheit auch bedeuten: „Freiheit", „Licht" und „Leben". Ich bin die Wahrheit, könnte dann bedeuten: Ich halte, was ich verspreche; ich bin treu; ich mache euch frei.

„Ich bin .... das Leben" Ein Fremder wird uns zugestehen, dass Jesus lebt, dass er gelebt hat „Er ist das Leben", das versteht er nicht. Für uns Christen dagegen ist eines ganz deutlich. Jesus Christus verkörpert „das Leben in Gottes Liebe hier auf dieser Welt." Wir ahnen vielleicht, dass damit zugleich das „ewige Leben" gemeint sein kann. Doch davon am nächsten Sonntag.
Wir fragen am Ende: „Wer ist Jesus?"
- Er verkörpert die Liebe Gottes in dieser Welt - bis hin zur Selbstaufopferung.
- Als Licht stellt er sich gegen Hoffnungslosigkeit, Zerstörung, Gewalt und auch gegen die schwarze Nacht in unserer Seele und die Finsternis in dieser Welt.
- Als Weg bringt er uns in Bewegung auf ein Ziel hin - jenseits dieser Welt. Das macht uns das Leben leicht - hier ist nicht alles am Ende - aber auch schwer - was kommt danach?
Im folgenden Lied singen und hören wir etwas zu diesem Weg. Es ist weit über 300 Jahre alt (Johann Scheffler, 1668) und gibt die Weltsicht der frommen Christen nach dem Dreißigjährigen Krieg wieder. Die Sprache ist manchem von uns fremd und ungewohnt.
Das Lied vor der Predigt aus den 70er Jahren des vorigen Jahrhunderts stammt aus Schweden (Anders Frostenson - 1972 - 1974). Diese Sprache ist uns vertrauter.
Dennoch gibt auch das folgende Lied die Botschaft Christi wieder - in einer anderen Zeit und an andere Christen. Lassen wir uns einladen auf seinen Weg!
Amen

Materialien
- "Stuttgarter Erklärungsbibel - Lutherübersetzung mit Einführung
und Erklärungen -"
Stuttgart. Deutsche Bibelgesellschaft.2.A. 1992, S. 1344; 1357 seit 2007 mit Apokryphen. 3.A.
- "Neue Jerusalemer Bibel. Einheitsübersetzung mit dem Kommentar der
Jerusalemer Bibel "
Neu bearbeitete und erweiterte Ausgabe. Deutsch herausgegeben von Alfons Deissler und Anton Vogtle in Verbindung mit Johannes Fl. Nützel Freiburg. Herder. 12.A. 1985. 2001. S. 1526 f, 1538
- Schulz, Siegfried
"Das Evangelium nach Johannes", übersetzt und erklärt
Göttingen. Vandenhoeck & Ruprecht. 14.A. 1978, S. 124 - 131; 184 - 187
Neues Testament Deutsch - NTD - Band 4
- "Assoziationen. Gedanken zu biblischen Texten", herausgegeben von
Walter Jens
Stuttgart. Radius Verlag. Band 3.1980
Fritz Sänger, S. 30 f; Heinrich Albertz, S. 39f
- Voigt, Gottfried
o "Der rechte Weinstock" Homiletische Auslegung der Predigttexte
Reihe III
Berlin. Evangelische Verlangsanstalt. 2.A. 1974, S. 42 - 47 o "Die geliebte Welt" Homiletische Auslegung der Predigttexte .
Neue Folge: Reihe III
Göttingen. Vandenhoeck & Ruprecht. 2.A. 1986, S. 51 - 57; 70 - 76

Sonntag, 28. Juni 2009

Geist der Liebe - mit Christus leben

27.05.2001 Predigt zum Sonntag EXAUDI
- Gottesdienst mit Paul Gerhardt an seinem 325. Todestage -

Kanzelsegen
Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus, die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns allen! Amen (nach Röm 15,24)

Der für den heutigen Sonntag Exaudi (= dt. Erhöre!) vorgeschlagene Predigttext steht im Evangelium nach Johannes im 14. Kapitel, in den Versen 15 bis 19:

15) Liebt ihr mich, so werdet ihr meine Gebote halten.
16) Und ich will den Vater bitten, und er wird euch einen anderen Tröster geben, daß er bei euch sei in Ewigkeit:
17) Den Geist der Wahrheit, den die Welt nicht empfangen kann, denn sie sieht ihn nicht und kennt ihn nicht. Ihr kennt ihn, denn er bleibt bei euch und wird in euch sein.
18) Ich will euch nicht als Waisen zurücklassen; ich komme zu euch.
19) Es ist noch eine kleine Zeit, dann wird mich die Welt nicht mehr sehen, denn ich lebe, und ihr sollt auch leben. (Joh. 14, 15-19)

Lieber himmlischer Vater, hilf unser Leben unter dein Wort zu stellen und gib uns die Kraft, danach zu leben. Amen.

"Liebt ihr mich, so werdet ihr meine Gebote halten ..."
Da steht das Wort an erster Stelle, das für Jesus das wichtigste Gebot im Gesetz ist: Wir sollen Gott lieben und unseren Nächsten wie uns selbst Für mich ist dieses Wort eine Art Maßstab, mit dem ich feststellen kann, was christlich und was unchristlich ist. Es steht auch viel Unchristliche in der Bibel. Jedenfalls umfaßt diese Liebe mehr als sinnliche Zuneigung und Leidenschaft.

"...Und ich will den Vater bitten, und er wird euch einen anderen Tröster geben, daß er bei euch sei in Ewigkeit ..."
Mit diesen Worten verspricht Jesus, daß er für seine Jünger bei seinem Vater bitten wird. Er bittet um den Heiligen Geist. Damit ist gesagt, daß die Menschen, die sich zu Jesus bekennen, damit rechnen können, daß Gott sie nicht verläßt. Sein Heiliger Geist verläßt sie in, Ewigkeit nicht. - Das heißt nun nicht, daß Christen stets vom Heiligen Geist erfaßt und durchdrungen sind. Sie bleiben Menschen nach wie vor - mit ihren Stärken und mit ihren Schwächen. Sie kennen aber ein Ziel. Sie wissen,
worauf es ankommt.

„ ...ich lebe und ihr sollt auch leben."
Diese Worte sagt Jesus, nachdem er angekündigt hat, er werde die Jünger verlassen. Daß Jesus sterben, auferstehen und zum Himmel auffahren wird, das wußten die Jünger nicht. Jesus aber sagt ihnen, daß er alles überleben, ja mit neuem Leben erfüllen wird und daß deshalb auch sie leben werden. - Ahnen wir etwas von diesem Leben, in dem die Liebe regiert, die alles umfängt?

An dieser Stelle möchte ich an Paul Gerhardt erinnern, den Namensgeber der Kirche in Rheindorf-Nord.
Am 12.März 1607 in Sachsen geboren, studierte er in Wittenberg Theologie, war einige Zeit Hauslehrer und erhielt mit 44 Jahren seine erste feste Anstellung als Pfarrer in Mittenwalde (Probst). Nach sechs Jahren wurde er an die Nicolaikirche in Berlin berufen. Wegen einer Auseinandersetzung mit seinem Landesherrn, dem Kurfürsten von Brandenburg, verlor er diese Stelle. Er war drei Jahre arbeitslos. Schließlich kam er nach Lübben im Spreewald. Dort starb er am 27. Mai 1676. Das war vor 325 Jahren - auf den Tag genau. Paul Gerhardt hatte ein schweres Leben. Als er fünfzig Jahre alt war, verlor er beide Eltern. Er wurde 69 Jahre alt - dreißig Jahre darunter war Krieg (1618 - 1648). Seine Frau gebar ihm fünf Kinder, von denen aber nur eines ihn überlebte. - Ein trauriges Leben? -
Wir singen heute nur Lieder von Paul Gerhardt. Sie sind lebendige Zeugnisse dafür, was es heißt, mit Christus zu leben.
Zwei davon möchte ich nun genauer ansehen - das Lied vor und das Lied nach der Predigt.

Zieh ein zu deinen Toren,
sei meines Herzens Gast,
der du, da ich geboren,
mich neu geboren hast,
o hochgeliebter Geist
des Vaters und des Sohnes,
mit beiden gleichen Thrones,
mit beiden gleich gepreist.

Mit diesen Worten, begrüßt er den Heiligen Geist, der in ihn einziehen so1l — wie Jesus es in unserer Textstelle es zugesagt hatte.

Zieh ein, laß mich empfinden
und schmecken deine Kraft,
die Kraft, die uns von Sünden
Hilf und Errettung schafft.

Hier ist alles Erfahrung - das heißt, mit dem Herzen verarbeitetes Erlebnis. Und so geht es weiter:

Du bist der Geist, der lehret,
wie man recht beten soll;
dein Beten wird erhöret
dein Singen klinget wohl ...

Du bist der Geist der Freuden,
von Trauern hältst du nichts,
erleuchtest uns im Leiden
mit deines Trostes Licht.

Du bist ein Geist der Liebe,
ein Freund der Freundlichkeit,
willst nicht, daß uns betrübe
Zorn, Zank, Haß, Neid und Streit.

Der Heilige Geist lehrt beten, er hält nichts vom Trauern - ja er ist ein Geist der Freude, der tröstet. Schließlich ist er ein Geist der Liebe. - Paul Gerhardt kannte seinen Gott. -
Er hat nur die Texte der Lieder, Gedichte, geschrieben. Seine Freunde in Berlin, die Kantoren Johann Crüger und Johann Georg Ebeling haben sie vertont. Johann Crüger vertonte dieses Lied im Jahre 1653. -

Das zweite Lied wurde sechs Jahre nach Gerhardts Tod von dem Stadtmusiker Jakob Hintze in Berlin vertont. Im Gesangbuch steht "Gib dich zufrieden ..." in der Abteilung "Glaube, Liebe, Hoffnung" und ist dem Abschnitt "Angst und Vertrauen" zugeordnet. Viele von uns kennen es als Lied, das auf Beerdigungen gesungen wird. Hören wir hinein:

Gib dich zufrieden und sei stille
in dem Gotte deines Lebens!
In ihm ruht aller Freuden Fülle,
ohn ihn mühst du dich vergebens,
er ist dein Quell und deine Sonne,
scheint täglich hell zu deiner Wonne.
Gib dich zufrieden.

Viele verstehen dieses "Gib dich zufrieden und sei stille ..." als eine Aufforderung zur Resignation: Sei zufrieden mit dem, was du hast. Streng dich nicht mehr an. Aber das ist nicht Paul Gerhardts Aussage. Er ist durchaus ein Kämpfer! Resignation liegt ihm nicht – auch nicht das Kuschen vor dem Schicksal, das ihn schlägt. Er meint etwas anderes - und das macht mir das Lied so lieb und wertvoll .
"Gib dich zufrieden" - das heißt, ergib dich nicht der Hektik dieser Welt; sage nicht immer "nein" zum Leben und zu allem, was es dir bringt! - Und Gerhardt sagt, warum er in diesem Sinne "zufrieden" sein kann. Sein Gott ist die Fülle der Freude, von ihm kommt Kraft und Licht. Warum willst du dann unzufrieden sein und mit deinem Schicksal hadern?

Er ist voll Lichtes, Trost und Gnaden,
ungefärbten, treuen Herzens,
wo er steht, tut dir keinen Schaden
auch die Pein des größten Schmerzens,
Kreuz, Angst und Not
kann er bald wenden ---

Wie dir's und andern oft ergehe,
ist ihm wahrlich nicht verborgen,
er sieht und kennet aus der Höhe
der betrübten Herzen Sorgen.
Er zählt den Lauf der heißen Tränen
und faßt zuhauf all unser Sehnen.
Gib dich zufrieden!

Er hört die Seufzer deiner Seelen
und des Herzens stilles Klagen,
und was du keinem darfst erzählen,
magst du Gott gar kühnlich sagen.
Er ist nicht fern, steht in der Mitten,
hört bald und gern der Armen Bitten.
Gib dich zufrieden.

Ja, das ist ein Trösten aus dem Herzen heraus und aus Glaubenserfahrung, die Kraft gibt! Licht und Trost und Gnade - das ist Gottes Fülle - und unser Schutz vor Kreuz, Angst und Not, die uns in Verzweiflung stürzen wollen. Wir sind vor all dem nicht sicher. Aber wir wissen, daß Gott bei uns ist. Da hat es die Verzweiflung schwer.
Und schließlich kennt Gott uns. Ihm dürfen wir alles sagen. Nicht, daß wir ihm damit Neues sagen könnten. Aber wir selbst erleben das Gesagte neu und anders. Indem wir es Gott sagen, erhält es eine andere Dimension.

Biographische Züge hat das Lied "Ich bin ein Gast auf Erden . . .", das wir unter Nummer 529 im Gesangbuch finden. Paul Gerhardt beschreibt darin einige seiner Lebenserfahrungen. Lassen Sie mich nun mit Worten von Paul Gerhardt enden:

Ich weiß, mein Gott,
dass all mein Tun und Werk
in deinem Willen ruhn,
von dir kommt Glück und Segen,
was du regierst, das geht und steht
auf rechten, guten Wegen.
Amen

Kanzelsegen
Der Friede Gottes, welcher höher ist als all unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus! Amen.


MATERIALIEN

Lieder
"Wach auf, mein Herz. ..." eg 446
"Zieh ein zu deinen Toren ..." eg 133
"Gib dich zufrieden und sei stille ..." eg 371
"Lobet den Herren alle, die ihn ehren ..." eg 447
"Sprich ja zu meinen Taten ..." eg 446
"Geh aus mein Herz und suche Freud ..." eg 503 (Zusatzangebot)
Psalm 27, eg 713.2

Lesung: Epheser 3, 14 - 21
Fürbittengebet: "Gott, so viele leben in unserer Stadt ..." eg 928, S. 1428

Kommentare
- "Stuttgarter Erklärungsbibel" nach Martin Luther
Stuttgart. Deutsche Bibelgesellschaft. 2.A. 1992, S. 1358
- "Neue Jerusalemer Bibel. "Einheitsübersetzung mit dem Kommentar der
Jerusalemer Bibel
Freiburg. Herder.12.A. 2001, S. 1538
- Schulz, Siegfried
"Das Evangelium nach Johannes" übersetzt und erkläret
Göttingen. Vandenhoeck & Ruprecht. 14 .A . 1978, S. 187 - 192 , NTD Bd. 4
- Voigt, Gottfried
"Homiletische Auslegung der Predigttexte" Reihe V: "Die bessere Gerechtigkeit"
Göttingen. Vandenhoeck & Ruprecht. 2.A.1988, S. 248 - 255
- Scharf, Kurt in "Assoziationen. Gedanken zu biblischen Texten"
Band 5, 1982, S. 112 f Stuttgart. Radius Verlag.

Zeitungsartikel

- DER WEG - Zeitung im Gebiet der Rheinischen Landeskirche -
Nr. 22 vom 27.05.2001

Bunners, Christian: "Lieder für die Menschen wahr und schön"
325. Todestag. Einige Strophen von Paul Gerhardt gehören zu den bekanntesten Texten deutscher Sprache überhaupt.

Nachtrag 2009

- Bunners, Christian
"Paul Gerhardt : - Weg - Werk Wirkung" Göttingen. Vandenhoeck & Ruprecht 4. A. 2007, 319 S.
- Gerhardt, Paul
"Sämtliche deutsche Gedichte" mit Illustrationen von Egbert Herfurth und Melodien von 10 Liedern im Anhang
herausgegeben von Reinhard Mawick, mit einer Einführung von Inge Mager Leipzig. Faber & Faber. 2.A.2007, 274 S.
- Becker, Hansjakob und 7 andere (Hrsg.)
"Geistliches Wunderhorn. Große deutsche Kirchenlieder" München. C.H. Beck. 2001, 3. 249 - 290; 299 - 309

Hinweis
Der Gottesdienst am 27.05.2001 wurde in Rheindorf-Süd gehalten, in der Lukaskirehe3 Wittenbergstr. 5. Die Paul-Gerhardt-Kirche liegt im Pfarrbezirk Rheindorf-Nord, Elbestr. 6. Seit dem Jahre 2003 plante die Evangelische Gemeinde Leverkusen-Rheindorf den Neubau eines Gotteshauses. Die beiden Kirchen in Rheindorf-Süd und in -Nord sind aufgegeben. Jetzt hat die Gemeinde eine Kirche, die Hoffnungkirche. Im Jahre 1986 lebten im Stadtteil Rheindorf 15.867 Einwohner, darunter waren 5.308 evangelisch. Achtzehn Jahre später, im Jahre 2004, lebten 16.377 Einwohner im Stadtteil, darunter 3.823 evangelische. Der Anteil der Evangelischen im Stadtteil Rheindorf ist in dieser Zeit von 33 auf 23 v.H. gesunken.
Dann noch ein persönlicher Hinweis: Im Jahre 1965 wurden meine Frau und ich in der Lukaskirche getraut - in Rheindorf-Nord gab es noch keine Kirche. In der Paul-Gerhardt-Kirche wie in der Lukaskirche habe ich später als Lektor und Predigthelfer Gottesdienste gehalten. - Auf diese Weise verbindet sich persönliche Biographie mit dem Schicksal der Kirche vor Ort.

Helmut Böhme