Samstag, 18. Dezember 2010

Christen in der Gemeinschaft

Gottesdienst zum 7. Sonntag nach Trinitatis am 20.07.1980
09.00 Uhr Krankenhaus in Schlebusch
10.00 Uhr Leverkusen-Manfort

Wiederholungen:
12.09.1982 Lev.-Rheindorf-Süd und Rheindorf-Nord
20.07.1984 09.00 Lev.-Schlebusch
17.07.1988 Seniorenzentrum Tempelhofer Straße, Lev.-Mathildenhof

Lieder:
Evangelisches Kirchengesangbuch (EKG)
ab 1996 Evangelisches Gesangbuch (EG)

EKG 339, 1 + 4 Die helle Sonn leucht jetzt herfür ....        EG 437
EKG 218, 1 - 3,  5+7 Sonne der Gerechtigkeit ...             EG 262
EKG 233, 1-3 8 + 9 Sei Lob und Ehr dem höchsten Gut ..EG 326
EKG 159, 1-3 Das sollt ihr, Jesu Jünger, nie vergessen      EG 221
EKG 264, 1-3 Erneure mich, o ewigs Licht, ...                  EG 390
EKG 526, 1-3 Es kennt der Herr die Seinen ...                 EG 358
EKG 431,1     Höchster Gott, wir loben dich ...                EG  -

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns allen. Amen.

Der Predigttext für den heutigen 7- Sonntag nach Trinitatis steht im 2. Kapitel der Apostelgeschichte nach Lukas und lautet in den Versen 41 bis 47 - wir hören die Übersetzung von Ulrich Wilckens -:

- Text -

41 a) Die nun sein Wort annahmen, ließen sich taufen; ...
42) Sie blieben beständig bei der Lehre der Apostel, bei der Gemeinschaft, beim Brotbrechen und bei den Gebeten.
43) Furcht Gottes kam auf bei jedermann: viele Zeichen und Wunder geschahen durch die Apostel.
44) Alle, die zum Glauben gekommen waren, verwalteten ihre ganze Habe als Gemeinbesitz.
45) Ihre Grundstücke und sonstige Güter verkauften sie und
verteilten (den Erlös) an alle, so oft einer etwas nötig hatte.
46) Tag für Tag trafen sie sich einmütig im Tempel, brachen das
Brot in den verschiedenen Häusern, hielten gemeinsame Mahlzeiten
voller Jubel und mit lauterem Herzen,
(47) priesen Gott und waren beliebt im ganzen Volk. Der Herr aber führte Tag für Tag Menschen, die zum Heil ausersehen waren, zur Gemeinde hinzu.

Herr, unser Gott, die Gabe des Heiligen Geistes hat in der Pfingstgemeinde eine Gemeinschaft entstehen lassen, die bis in unsere Zeit hinein wirkt. Hilf du uns, den Anruf recht zu verstehen, dir in Gemeinschaft zu folgen. Amen.

Gestern wurde in einer Kölner Tageszeitung das Interview mit einer bekannten Filmschauspielerin veröffentlicht (Ellen Schwiers mit Gerd Courts in "Kölner Stadtanzeiger" 166 v. 19./20. Juli 1980). In diesem Gespräch hat sie etwas gesagt, was viele Menschen heute ebenfalls denken.

"... Vieles von dem, was Kirchenpolitik ist, ist eigentlich nicht christlich. Ich bin aus der Kirche ausgetreten. Ich habe mir diesen Schritt genau überlegt, denn ich habe Kinder. Ich werde eines Tages sterben. Aber ich werde auch das durchstehen, ohne den Beistand der Kirche. Es hat mir vieles gestunken, und ich habe einen langen Sündenkatalog der Kirche angelegt, ehe ich mich zum Austritt entschloß. Es war nicht wegen der Steuer. Was ich da nicht mehr bezahle, gebe ich für die SOS-Kinderdörfer. Ehe sich die Kirche nicht reformiert, bin ich nicht bereit, diesen Verein zu unterstützen."
Der Reporter fragt daraufhin: "Und Sie unterscheiden zwischen Kirchlichkeit und Gläubigkeit?" Sie antwortet: "Ich glaube, von mir sagen zu können, daß ich eine gute Christin bin."
Für diesen Standpunkt einer 50- jährigen Frau habe ich volles Verständnis.
Vielleicht darf ich dennoch dieser Position eine andere gegenüberstellen:
Nicht nur für die Kirchenpolitik, sondern für alle Menschen in der Kirche gilt, daß vieles von dem, was sie in der Kirche und im Namen der Kirche sagen und tun nicht christlich ist.
Einen Sündenkatalog der Kirche vermag ich nicht aufzustellen - mir käme da immer mein eigener dazwischen, den ich besser kenne, - und ich weiß nicht so recht, welcher da größer ist.


Aber ich weiß, daß in der Kirche viele, viele Menschen leben, handeln und wirken. Nahezu zweitausend Jahre hindurch haben sie das getan - und sie alle haben dieser Kirche etwas hinterlassen von diesem Leben, Handeln und Wirken.
Für mich ist das mit allen Fehlern und Schwächen Gottes Werk. Ich sehe nicht, daß ich allein das anders oder besser machen könnte. Aber ich sehe, daß die Fragen, die diese an ihren Fehlern und Schwächen ja auch leidende Kirche an mich stellt, Aufforderungen sind, zu einem ganz geringen Teil daran mitzuwirken, daß diese Kirche zu ihrem Auftrag findet und daß sie ihn erfüllen kann. Ich habe Aufgaben in der Kirche übernommen und erfahren, daß die Last, die die Unvollkommenheit der Kirche darstellt, für mich dadurch nicht leichter, sondern größer geworden ist. Dennoch bleibe ich bei dieser Aufgabe, weil ich davon überzeugt bin, daß ich tatsächlich in wenigem doch dazu beitrage, Kirche, wie sie sich hier unter uns zeigt, lebendig zu erhalten. Ich bleibe auch deshalb bei dieser Aufgabe, weil meine Kinder in dieser Kirche eine Heimat finden sollen.
Auch ich warte auf eine Reformation der Kirche - nicht auf eine, die sich durch den Thesenanschlag an einer Kirchentür, durch eine politische oder physische Katastrophe oder auch durch eine theologische Revolution vollzieht, sondern auf die Reformation durch uns selbst, die wir uns Christen nennen und die wir dies durch unser tägliches Denken und Tun bezeugen. - Ob ich ein guter Christ bin? - Ich bin Christ. -

Was haben diese Zeugnisse mit unserem Text zu tun? Kirche ist eine Form christlicher Gemeinschaft - und unser Text handelt von der Gemeinschaft der Christen nach der Pfingstpredigt der Apostel.
Die zentrale Aussage liegt für mich in dem Satz: "Sie blieben aber beständig bei der Lehre der Apostel, bei der Gemeinschaft, beim Brotbrechen und bei den Gebeten." Diese Aussage wird umschlossen von der Feststellung "Die nun sein Wort annahmen, ließen sich taufen; und so wurden an jenem Tage an die dreitausend Menschen hinzugewonnen" zu Beginn und "Der Herr führte Tag für Tag Menschen, die zum Heil ausersehen waren, zur Gemeinde hinzu." Am Ende folgen dem Ruf Gottes die Menschen, die zur Gemeinde werden - und als Gemeinschaft ständig wachsen.
Diese Stelle spricht also von der Gemeinschaft der Christen und nennt als ihr wesentliches Merkmal die Beständigkeit. Diese Beständigkeit bewährt
sich in vier zentralen Elementen dieses Gemeinschaftslebens
- in der Treue zur Lehre der Apostel,
- in der tätigen Gemeinschaft,
- in der Verwaltung des Sakraments und
- im Gebet.

Die Treue zur Lehre der Apostel ist nicht selbstverständlich. Die Apostelgeschichte berichtet selbst davon, wie immer wieder die verschiedenen Gemeinden den Versuchungen durch ihre Umwelt erliegen, ja selbst die Apostel können sich nicht immer und zu jeder Zeit einigen. Es wird aber deutlich, daß christliche Gemeinschaft nur dort lebendig bleibt, wo die Lehre von Jesu Botschaft der Liebe und der Vergebung gehört und immer wieder von neuem angenommen wird.

Die eine Entscheidung, ich will Christ sein, wann immer wir sie treffen - und vielleicht haben wir sie selbst nie getroffen, sondern andere für uns -, diese eine Entscheidung macht uns nicht zum Christen. Auch hilft es uns nicht viel, wenn wir von der Richtigkeit der Botschaft Jesu überzeugt sind. Bewähren kann sich diese Überzeugung nur, wenn wir uns immer wieder von neuem anfallen lassen von dieser radikalen Zusage und wenn wir es immer wieder von neuem erleben, wie neu, wie groß - ja, auch wie schwer diese Botschaft ist.

"Also hat Gott die Welt geliebt, daß er seinen eingeborenen Sohn gab, auf daß alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben." - Joh. 3, 16

'"Du sollst lieben Gott, deinen Herrn, von ganzem Herzen, von ganzer Seele und von ganzem Gemüte.' Dies ist das vornehmste und größte Gebot. Das andere aber ist dem gleich. 'Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.' " - Matt. 22, 37 - 39

Kann man dazu sagen "Ja, so ist das. Ich glaube das?": Und wäre damit alles abgetan? Hätten wir damit den Glauben und Jesu Auftrag an uns erfüllt? Mir scheint, so geht das nicht.

Wie ist das mit der Liebe?

Vielleicht ist es wenigen unter uns begegnet - aber es geschieht doch immer wieder, daß ein Kind auf uns zustürmt, sich uns in die Arme wirft und dann sagt, ich hab dich lieb. Wir selbst unterbrechen unsere Tätigkeit und wenden uns dem geliebten Menschen zu, wir nehmen ihn in unsere Arme oder wir suchen seinen Blick. Es gibt auch Liebe unter Menschen, die sich ferne stehen. Ein Wort, ein Blick - und wir sind manchmal betroffen von dem Maß der Zuwendung, die wir erfahren. Ja, und es gibt die Liebe, die sich verschließt, die niemand erkennt - und der geliebte Mensch oft am wenigsten. Aber es gibt auch die Redensart: "Es ist keine Liebe mehr unter den Menschen. "
Wenn wir unseren Alltag einmal daraufhin beobachten, dann müssen wir wohl feststellen, daß wir vieles von dem wiederfinden. Es gibt nicht nur das eine oder nur das andere - alles dies und noch mancherlei mehr ist Wirklichkeit.
Beständigkeit im Leben unter der Botschaft Jesu ist das nicht. Diese Beständigkeit kann nur leben aus der immer von neuem gewonnenen Erfahrung, daß die Liebe das Zentrum unseres Lebens ist, daß sie unser. Verhält­nis zu Gott und unser Verhältnis zueinander bestimmt. Zu dieser Erfahrung gehört die Erkenntnis, daß Liebe etwas unendlich Schönes und Kostbares, aber auch etwas sehr Schweres ist, daß Liebe immer wieder neu gelebt werden muß. Das gilt für die Liebe zu Gott, wie für .die unter den Menschen.

In Beständigkeit zur Lehre der Apostel halten, heißt auch, die Worte der Apostel nicht absolut nehmen. Gerade das haben die Apostel niemals ernsthaft gewollt. Der christliche Glaube ist kein Buchstabenglaube. Und es ist kein Widerspruch, wenn ich gleichzeitig sage, daß er ein Glaube ist, der vom Wort - nämlich vom Wort Gottes - ausgeht und in die Tat mündet . Der christliche Glaube lebt aus der Verkündigung durch das Wort und er bewährt sich durch die Tat.

Die tätige Gemeinschaft ist - wie es eine Erläuterung zu dieser Stelle sagt - die gemeinsame Verwaltung des Besitzes zum Zwecke der Gemeindediakonie. Man hat diese Stelle vor allem in Verbindung mit den dann folgenden Sätzen häufig auf den materiellen Besitz allein bezogen. Aber das trifft meines Erachtens das Entscheidende dieser Aussage nicht so ganz. Hier wird deutlich, daß der einzelne um des andern und damit um der Gemeinschaft willen sich von dem Eigenen trennt, sich löst von dem, was er hat, und das, was er kann, nicht für sich selbst und um seinetwillen, sondern um des andern willen einsetzt.

Hinter den mancherlei Appellen an unsere Spendenbereitschaft, die wir zur Zeit erleben, sehe ich den Aufruf, die Gemeinschaft der Christen und ihre Verantwortung für diese Welt bis ins persönliche Leben hinein ernst zu nehmen. Nicht nur Geld, sondern Zeit, Kraft, Wissen und Können soll ich einsetzen für die Gemeinschaft, in der ich lebe. Hier wird dann deutlich, daß die materiellen und ideellen Besitztümer dieser Welt nicht persönlicher Besitz sind, sondern gewährte Leihgabe zur freien Nutzung.

Wenn wir das so sehen, dann ist diese Frage nicht mehr so einfach. Sie stellt sich tatsächlich in zwei Richtungen
- auf meine Person hin, wie ich persönlich es mit meinem Glauben halte, wie weit ich selbst einstehe für das, was Christus uns verkündet hat, und
- im Blick auf die Gemeinschaft, in der ich lebe.
Hier geht es darum, ob ich die Gemeinschaft anerkenne, ihr einen Anteil an meinem Leben einräume und bereit bin, für andere einzustehen, oder das alles nicht leisten will.

Die Verwaltung des Sakraments, so habe ich die Stelle zusammengefaßt, die vom Brotbrechen spricht. Sie nimmt das Bild der damaligen patriarchalischen Familie auf. Zu Beginn jeder Mahlzeit bricht der Hausvater das Brot. Die ersten Christen erlebten das ebenso - nur schlossen sie häufig an die Mahlzeit das Abendmahl an. Dieses Brotbrechen steht hier für die Gemeinsamkeit. Gemeinsamkeit in der christlichen Gemeinde ist zugleich Bekenntnis. Darum geht es. Wenn wir darüberhinaus an die Gemeinsamkeit im Abendmahl denken, dann erfahren wir in der Gemeinschaft mit anderen Christen die Zusage der Liebe Gottes und der Vergebung unserer Sünden immer wieder neu. Hier wird die Gemeinsamkeit sowohl im schuldhaft Unvollkommenen - wir bekennen ja unsere Sünden - wie auch im Empfangen der Liebe und der Vergebung auf eine ganz neue Ebene gehoben.

Beständigkeit im Gebet ist eine heute ungewohnte Form der Gemeinschaft, so scheint mir. Beten ist, so heißt es, die höchste und schwerste Form, in der der Glaube des Christen sich bewährt. Das Gebet ist der Vorgang, in dem ein Mensch sich und seine Welt versammelt vor dem Angesicht Gottes (Ratschow nach Hans Grewel "Christentum - was ist das? Ein Elementarbuch" Stuttgart. 1980, S.157). In diesem Verständnis bedeutet beten, daß unser ganzes Leben Gebet sein soll, ein fortschreitendes Durchdrungenwerden von dem Willen Gottes (Hans Grewel, aaO, S.158).

Wenn das so ist, dann ist Beten nicht gebunden an bestimmte Formen oder Worte. Diese Erkenntnis sollte diejenigen zum Gebet befreien, die sich sorgen, daß sie nicht den richtigen Weg finden. Allerdings verlangt Beten eine gewisse Anstrengung. Die Erklärungen haben es gezeigt. Wir sammeln uns, wir konzentrieren uns und richten all unsere Gedanken auf das Gebet. Das gelingt nicht ohne weiteres. Aber ein solches Beten wächst. Es nimmt zu an Kraft und Tragfähigkeit mit jedem neuen Versuch.
Ist aber Beten nicht etwas, das wir ganz persönlich mit Gott abmachen? Was hat das mit der Gemeinschaft zu tun?

Ja, Beten ist das ganz persönliche Gespräch des einzelnen mit Gott und wir sollten uns darin auch nicht beirren lassen.
Zugleich gibt es aber auch das Gebet der vielen. In der Gemeinschaft gewinnt das Gebet eine ganz andere Kraft - es umschließt uns und es trägt die unter uns, die keine Worte finden und jene, denen die Kraft zum Beten fehlt. Das gemeinsame Beten ermutigt auch diejenigen, die noch lernen möchten zu beten. Wir sehen, das Gebet in der Gemeinschaft ist zugleich Stellvertretung, Eintreten für andere - und Hilfe für den anderen. Auf diese Weise wird das Beten in der Gemeinschaft nicht zu einer Bedrohung, sondern zu einer Stärkung unseres persönlichen Verhältnisses zu Gott.

Beständigkeit im Gebet - möge sie uns allen geschenkt werden!

Darf ich nun auf die Zeugnisse zurückkommen, von denen ich eingangs sprach.

Unser Schrifttext spricht nicht von der Kirche, sondern von der urchristlichen Gemeinde. Er hat - so meinen viele - nicht die tatsächlichen Verhältnisse beschrieben, sondern gezeigt, wie eine christliche Gemeinschaft in der rechten Weise leben soll. So trifft dieser Text unsere Kirche ebenso wie all die anderen christlichen Gemeinschaften. Es kann des­halb nicht unsere Sache sein, diese Zeugnisse zu kritisieren. Wir sollten das also auch gegenüber der Schauspielerin nicht tun. Andererseits sollte ihr Urteil über die Kirche unserer Zeit ein Warnsignal sein, das uns aufruft, etwas von dem in unserer Kirche lebendige Wirklichkeit werden zu lassen, was uns Lukas in der Apostelgeschichte berichtet.

Herr, unser Gott, hilf du uns, daß die Kirche hier in dieser Welt zu deiner Kirche wird und die Gemeinschaft der Christen sich unter deinem Wort zusammenfindet im Dienst und im Gebet. Amen.

Und der Friede Gottes, welcher höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.


Gemeinde: EKG 241,1 Vater unser im Himmelreich

Abkündigungen


- Fürbittengebet -

Herr, unser Gott,
du hast uns deinen Sohn gesandt, daß er uns erlöse von unseren Sünden und die Kraft der Liebe in uns wecke.
- Du hast ihn vom Tode auf erweckt und uns die Zusage des ewigen Lebens gegeben. Dein Heiliger Geist hat dein Wort mächtig werden lassen weit über die Zeiten hinweg. Nun stehen wir vor dir und müssen bekennen, daß wir kleinmütig und schwach sind.

Wir bitten dich,
hilf unserer Schwachheit auf, damit wir die Kraft finden, die Kirche unsererTage als deine Kirche mit Leben zu erfüllen. Gib uns den Mut zu rechtem Dienst und zeige und die Wege zum Gebet.

Wir bitten
für unsere Kinder. Schütze sie in den Bedrohungen unserer Welt und führe sie den Weg zu dir.

Wir bitten für die Eltern und Erzieher, daß sie ihre vielfältig Aufgaben mit froher Zuversicht auf sich nehmen und mit Dankbarkeit erfüllen.

Wir bitten
für die Kranken, die sich oft verlassen fühlen und sich fragen, welchen Sinn ihr Leben noch hat, das ja von Schmerzen und Verzweiflung begleitet ist. Sei du ihnen Trost und gib ihnen die Kraft, ihren Weg gemeinsam mit dir zu gehen. Sei auch bei den Ärzten und Schwestern, bei den vielen, die kranken Menschen helfen wollen. Laß sie nicht müde werden in ihrem Dienst und gib ihnen den frohen Mut, den sie für sich und ihre Kranken brauchen.

Wir bitten
für die alten und gebrechlichen Menschen. Sie sehen das Ende ihrer Tage vor sich - Ungewißheit quält sie über das, was sie erwartet. Sei du bei ihnen und laß sie erkennen, daß du sie nicht verläßt, sondern sie trägst hier in diesem - aber auch hinüber in das spätere Leben.

Wir bitten
in der Stille für diejenigen, die uns nahe stehen, für die vielen, die wir nicht kennen und die dich doch auch brauchen - - -

Mit den Worten deines Sohnes beten wir zu dir: Unser Vater im Himmel, geheiligt werde dein Name, dein Reich komme, dein Wille geschehe wie im Himmel, so auf Erden. Unser tägliches Brot gib uns heute und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unsern Schuldigern. Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen; denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.

- Schlußsegen -
Der Herr segne und behüte uns! Der Herr lasse sein Angesicht leuchten über uns und sei uns gnädig! Der Herr hebe sein Angesicht über uns und gebe uns Frieden!

Gemeinde: Amen. Amen. Amen.


Materialien:
- "Stuttgarter Erklärungsbibel nach der Übersetzung von Martin Luther" mit Einführung und Erklärungen. Stuttgart. 2.A. 1992, S. 1379 f
- "Neue Jerusalemer Bibel" - Einheitsübersetzung mit dem Kommentar
der Jerusalemer Bibel - Deutsche Ausgabe herausgegeben von
Alfons Deissler und Anton Vögtle in Verbindung mit Johannes Fl. Nützel Freiburg, Herder, 12.A. 1985, Druck 2001, S. 1559 f
- Roloff, Jürgen
"Die Apostelgeschichte", übersetzt und erklärt
Göttingen, Vandenhoeck & Ruprecht. NTD Band 5, 17. A., 1. dieser
neuen Fassung. 1981, S. 63 - 68
- Flesch-Tiberius, Marlies in "Assoziationen" Band 2, Stuttgart. Radius Verlag. Herausgegeben von Walter Jens, 1979, S. 140 f

Mittwoch, 1. Dezember 2010

Zum Selbstverständnis meines Predigens

Die langjährige Leiterin unserer Gemeindebücherei vermittelte mir in den ersten Jahren meiner Predigttätigkeit das Besondere meiner Art zu predigen. Mein Standpunkt sei die Mitte der Gemeinde. Man habe nicht den Eindruck, die Gemeinde werde "angepredigt“, sondern vom Prediger hineingenommen in seinen Umgang mit dem Text. Die andere Stimme kommt von einem mir fremden Predigthörer aus einer Gemeinde, in der ich wohl öfters als Gastprediger zu Besuch war. Es dürfte in den Jahren zwischen 1990 und 2002 gewesen sein, daß er mir sagte, in meinen Predigten komme immer die Gegenwart vor.

Als Laienprediger rede ich "die Gemeinde" selten an, spreche eher von "Sie und ich" - "Sie" - "Wir". Die Anrede "liebe Gemeinde" war mir deshalb schwer möglich, weil ich mich dann hätte selbst mit anreden müssen. Nur in Zusammenhang mit Amtshandlungen, in dem die Gemeinde als Gemeinschaft aufgerufen ist als Zeuge oder als Heimat, geistliche Heimat der Täuflinge oder der Paare, habe ich die Gemeinde als solche unmittelbar angesprochen.

Von vornherein habe ich mich aus dogmatischen Erörterungen herausgehalten, soweit das möglich war. Von meinen persönlichen Möglichkeiten her habe ich sowohl die dogma­tischen Elemente den Theologen, den Pfarrern überlassen wie auch die Mission in ihrer ganzen Breite. Meine Möglichkeit der Mission besteht in dem, was andere als Vorbild für sich an meinem Handeln erkennen. Von theologischer Seite kam anfangs der Einwand, es fehle das "Ich aber sage euch!" Das ist wahr. Dafür fehlen mir Sendungsbewußtsein und Berufung.

Was aber ist nun die Motivation für mein Predigen? Es ist zunächst die Gewißheit, daß ohne die Botschaft Jesu Christi die Erde von der Menschheit bereits zerstört worden wäre. Es gilt also, sie so umfassend wie möglich zu verbreiten. Dann habe ich die Erfahrung gemacht, daß diese Botschaft viel mit unserem Leben zu tun hat. Eine wichtige Begründung für das Predigtamt der Laien (Nicht-Theologen) in der Kirche lautet, daß sie mehr von der Lebenswirklichkeit in der Verkündung erkennen lassen können als es die auf ihre Kirche konzentrierten Theologen könnten. Ein Laie geht anders an die Verkündigung heran als ein Theologe. Allerdings habe ich auch einige Einflüsse aus meinem Berufsleben auf meine Predigten feststellen können.

Mehr über diese Einflüsse findet sich auf der Seite Selbstverständnis des Predigers.

Samstag, 9. Januar 2010

Ruf des Predigers - Mitte unseres Lebens

Sonntag Reminiscere 23.02.1986

Ordination Böhme in der Johannes-Kirche in Leverkusen-Manfort durch Superintendent Herrn Dr. R. Witschke/Monheim

PREDIGT
Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus, die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns allen. Amen.

Als Predigttext hören wir aus dem Buch des Propheten Jesaja im 40. Kapitel die Verse 6 bis 8 in der Luther-Übersetzung, und zwar in der revidierten Fassung von 1984 (1964):
Es spricht eine Stimme: Predige!, und ich sprach: Was soll ich predige? Alles Fleisch ist Gras, und alle seine Güte ist wie eine Blume auf dem Felde. Das Gras verdorrt, die Blume verwelkt; denn des Herrn Odem bläst darein. Ja, Gras ist das Volk.
Das Gras verdorrt, die Blume verwelkt, aber das Wort unseres Gottes bleibt ewiglich.
Jes. 40, 6-8

Herr, unser Gott,
Du rufst uns. Nicht immer hören wir Dich. Oft antworten wir nicht, weil wir uns eine Antwort nicht zutrauen oder weil wir uns vor Dir fürchten. Du aber läßt nicht nach. Auch heute hören wir Deinen Ruf, wie ihn uns ein Zeuge vor mehr als 2500 Jahren überliefert hat. Öffne unsere Ohren und Herzen, daß wir Dich hören und Dir zu-hören. Gib uns die innere und äußere Ruhe, die wir dazu brauchen. Laß uns verstehen, was Du uns sagen willst. Amen.

Der Text aus dem Buch des Propheten Jesaja führt uns in die Zeit von etwa 500 v. Chr. Deshalb lade ich Sie ein, sich mit mir die Situation des Propheten vor Augen zu führen, die Worte unseres Textes im Zusammenhang seiner Verkündigung zu sehen und sie schließlich von heute - von der Botschaft Jesu Christi her zu durchdenken.

1. Juden in Babylon (587 - 539)
2. Die Botschaft des Propheten (Deuterojesaja, Wirkungszeit 587 - 553)
3. Jesus Christus - unter uns


1. Juden in Babylon (587 - 539)

Der Tempel in Jerusalem ist zerstört. Die Mitte des Glaubenslebens der Juden ist vernichtet. Dabei kannten die Juden nur den einen Gott, von dem sie sich nicht einmal Bilder machen durften. Ihr Tempel enthielt die Bundeslade und war das einzige
Heiligtum, das sie kannten. Umso wichtiger war dieses Heiligtum für ihr Glaubensleben. Doch nun war es zerstört.
Mehr noch: Tausende von Juden wurden hinweggeführt
Sie kamen nach Babylon, in das Exil. Es waren die wirtschaftlich, geistlich und geistig führenden Schichten des Volkes, die man auf diese Weise ihrer Heimat beraubte. Dabei hat für den Juden die Heimat auch eine wichtige religiöse Bedeutung. Sie ist ihm von Gott zugewiesen worden. In vierzigjähriger Wanderschaft hat Gott sein Volk in dieses Land geführt (2. Mos. 12, 41 - 5. Mos. 1,3; 5. Mos. 34). Und nun - wird es ihm genommen. Wir verstehen, daß die Juden dies alles als eine Strafe Gottes ansehen mußten und viele, besonders von denen, die im Exil leben mußten, waren der Auffassung, Gott habe sie verlassen. Sie seien nun nicht mehr das auserwählte Volk Gottes.
Dennoch lebten die Juden in Babylon nicht wie in einem Gefängnis. Wir dürfen annehmen, daß sie in eigenen Siedlungen lebten, Häuser bauen und Land bestellen konnten. Sie haben auch eigene Gottesdienste gehalten, waren aber dabei angewiesen
auf die reine Verkündigung des Wortes Gottes. Hier ist, so meinst man, der Ursprung der Synagogengottesdienste, wie wir sie heute noch kennen. Hier sind auch viele der Psalmen entstanden.
Es ist nicht anzunehmen, daß die Juden unter Druck gesetzt wurden, Götter der Babylonier anzubeten. Gar mancher unter ihnen aber wird sich von einem Gott abgewandt haben, von dem man sich kein Bild machen durfte und der sein Volk ganz offensichtlich verlassen hatte.
Dabei war damals die Welt voll von Göttern und Gottheiten, deren Bildnisse oft sehr prunkvoll ausgestaltet waren.
In diese allgemeine Situation hinein ertönt die Aufforderung: "Rufe!" oder wie Luther hier übersetzt: "Predige!" Unser Text sagt nicht, ob hier Gott selbst oder ein von ihm Beauftragter spricht.
Wir dürfen aber annahmen, daß es eine göttliche Stimme war. Der Auftrag verhallt nicht ungehört.
Aus der Menge des jüdischen Volkes in Babylon kommt Antwort - eine Frage: "Was soll ich rufen, was soll ich predigen?" Der Frager fährt fort und erklärt, weshalb er die Frage stellt: "Alles Fleisch ist Gras und alle seine Güte ist wie eine Blume auf dem Felde. Das Gras verdorrt, die Blume verwelkt; denn des Herrn Odem bläst darein. Ja, Gras ist das Volk."
Ein einziges Klagelied über die Vergänglichkeit irdischer Kreatur. So mag es scheinen. Es könnte aber auch eine sachliche Feststellung sein, wenn der Frage Gott antwortet und dessen Unvergänglichkeit mit der Vergänglichkeit irdischen Wirkens vergleicht. In der Antwort wird diese Feststellung aufgegriffen. "Das Gras verdorrt, die Blume verwelkt, aber das Wort Gottes bleibt ewiglich." Es geht darum, daß das ewige Wort Gottes im vergänglichen Leben hier auf Erden eine Heimat findet. Deshalb, muß es gerufen, deshalb muß es gepredigt werden.
Ob es uns gelingt, Gottes Ruf zu hören? Das Getöse in unserer Welt ist so laut, da wird der Ruf unseres Gottes allzu leicht überhört. Nicht selten aber sind auch wir selbst schwerhörig und hartherzig. Wir sind es dann, die unsere Ohren und Herzen vor dem verschließen, was Gott uns sagen will. Das wird in den Büchern des alten wie des
neuen Testaments bezeugt. Bis in unsere Tage hinein können wir diese Erfahrung machen. - Heute nun ergeht die Frage an uns: Hören wir Gottes Stimme? - Und wenn wir sie hören, wollen wir ihr folgen, wollen wir dem folgen, der uns anspricht? Öffnen wir also nicht nur die Ohren, sondern auch unsere Herzen!

2. Die Botschaft des Propheten Deuterojesaja, Wirkungszeit 587 - 539 v.Chr.
Unsere Textstelle ist die einzige, in der unser Prophet sich selbst nennt: "... und ich sprach: "Was soll ich predigen?... "
Er ist der mittlere der drei Propheten, denen man den Kernbestand des Prophetenbuches des Jesaja zuspricht: Deuterojesaja (Wirkungszeit von 587 - 5 539 v. Chr.). Ihm spricht man die Kapitel 40 bis 55 zu. Seine Botschaft, hinter der er selbst dann ganz zurücktritt, ist an wenigen weiteren Sätzen zu verdeutlichen:
"Tröstet, tröstet mein Volk! spricht euer Gott ... Es ruft eine Stimme: In der Wüste bereitet dem Herrn den Weg, macht in der Steppe eine ebene Bahn unserem Gott!...“ Jes. 40, 1+3
Der Prophet soll trösten. Das ist eine ungewohnte Aufforderung. Sie zeigt an, daß eine Wende bevorsteht. Gott wendet sich seinem Volk wieder zu. Anders als viele angenommen haben, hat er sein Volk nicht fallen lassen, er hat es nicht vergessen und es ist nicht verloren. Später, am Ende des Prophetenzeugnisses heißt es dann:
"... meine Gedanken sind nicht eure Gedanken und eure Wege sind nicht meine Wege, spricht der Herr ... gleichwie der Regen und der Schnee vom Himmel fällt und nicht wieder dahin zurückkehrt, sondern feuchtet die Erde und macht sie fruchtbar und läßt wachsen, daß sie gibt Samen zu säen und Brot zu essen, so soll das Wort, das aus meinem Mund geht auch sein! Es wird nicht wieder leer zu mir zurückkehren, sondern wird tun, was mir gefällt und ihm wird gelingen, wozu ich es sende."
Jes. 55, 8, 10 f
Hier wird nun ganz souverän klargestellt, daß Menschenwerk und Gotteswerk nicht miteinander verglichen werden können. Das Wort Gottes wirkt - auch ohne uns. Gott ist nicht auf uns angewiesen, damit sein Wort unter uns wirkt. Es erfüllt seinen Auftrag auf mancherlei Weise und verändert die Welt, in der wir leben.
Das sind eigenartige - und ich meine, auch etwas ungewohnte Worte, die der Prophet hier findet.
Trost als ein Kern göttlicher Botschaft an die Menschen - das ist heute nicht immer selbstverständlich. Gelegentlich haben manche von uns den Eindruck, daß Mahnungen, Vorwürfe und Schuldzuweisungen diesen göttlichen Auftrag überwuchern. ja, im seelsorgerlichen Gespräch geschieht wohl Trost - weit über das Maß hinaus, von dem wir wissen können. Aber in der Verkündigung des Wortes, in der Predigt da geschieht nicht selten ganz anderes. Unter Bezug auf das Wort Gottes mahnen christliche Verbände, Parteien, Kirchen und Privatleute den Raubbau der Menschen an der göttlichen Schöpfung an und verurteilen die Gewalt, die sich unter den Menschen wie eine Seuche ausbreitet. Sie analysieren die Welt, in der wir leben. Sie suchen und sie finden Ursachen und Verantwortliche - und die Welt ertönt von ihren Rufen. Das gehört zu ihrem Auftrag - der Kern, der christlichen Botschaft aber ist das nicht.
Schon der Prophet des Alten Testaments hatte den Auftrag, zu trösten. Die Analyse ist erst der Anfang. Von ihm aber kommen wir oft nicht weg. Wir bleiben stecken in dem Bemühen, die Ursachen der Übel in dieser Welt herauszufinden - aber wir finden nicht den Weg, der weiterführt. Aus der Ferne von 2500 Jahren und aus der Welt des Exils der Juden in Babylon ruft uns das Wort des Propheten: "Tröstet, tröstet mein Volk!"
Vielleicht gelingt es uns, über den Trost den Weg zu jenen Menschen zu finden, die in der Wüste ihre Isolation und Enttäuschung, in der Wüste ihrer Gottesferne jeden Zugang zum Worte Gottes verloren haben und keine Hoffung mehr auf Gott setzen können. Vielleicht gelingt es uns, in der Wüste dem Herrn einen Weg zu bahnen. Aber Trost brauchen wir alle - nicht nur jene, die am Rande der Gesellschaft oder ihrer Existenz leben. Deshalb sind wir auch alle aufgerufen, zu trösten. Aber dies Trösten ist kein menschliches Wirken aus uns heraus. Bischof Schönherr hat einmal gesagt zu dieser Stelle: "Wie tröstet Gott? Er tröstet, indem er uns Weg schafft, auf dem wir gehen können. Er tröstet, indem er uns sein Wort gibt." Dieser wirksame Trost also ist ein Trost, den nur Gott geben kann.
Er bleibt schwach, wenn wir es nicht fertigbringen, auf die Kraft des Wortes Gottes zu vertrauen. Wie zaghaft gehen wir doch oft mit Gottes Wort um! Es fällt richtig auf, wenn wir einem Menschen begegnen, von dem wir erfahren, daß er mit dem Worte Gottes lebt. Und wir Prediger? Beim besten Willen sind viele von uns immer wieder in Gefahr, das Wort unseres Gottes zuzudecken mit ihren eigenen. Haben sie dann Gottes Ruf nicht gehört? Hatten sie Angst vor Gottes Wort, war es ihnen zu unbequem? Oder ist ihre Verzweiflung so groß, daß sie nur sich selbst und ihre Angst sehen, die sie wortreich ausbreiten?
Es gibt mancherlei Ursachen für uns Menschen, das Wort Gottes zuzudecken mit unseren eigenen Äußerungen. Aber denken wir doch daran - "alles Fleisch ist Gras und alle seine Güte ist wie eine Blume auf dem Felde. Das Gras verdorrt, die Blume verwelkt; denn des Herrn Odem bläst darein."
Das gilt auch für diese Predigt. Meine Worte vergehen - sie sind für den Tag und für die Stunde gesagt. Aber das ewige Wort unseres Gottes bleibt
- es verläßt uns nicht, Sie nicht, mich nicht - es bleibt ewig.


3. Jesus Christus - unter uns

Unser Verhältnis zu Gott - und darum geht es, wenn er uns tröstet, wenn wir seinem Wort den Weg zu den Menschen bereiten sollen, wenn wir predigen sollen und wenn wir der Kraft seines Wortes vertrauen sollen - unser Verhältnis zu Gott und unser Handeln in der Welt wird bestimmt durch Leben, Sterben und Auferstehung Jesu Christi. In ihm ist die Liebe Gottes zu den Menschen besiegelt und als Mensch in dieser Welt lebendig geworden: "Also hat Gott die Welt geliebt, daß er seinen eingeborenen Sohn gab, auf daß alle, die an ihn glauben nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben.“
Joh. 3,16

Der Trost, den Gott uns zuspricht, wird in Jesus Christus lebendige Wirklichkeit und reicht über den Tod hinaus: "In der Welt habt ihr Angst, aber seid getrost, ich habe die Welt überwunden." (Joh. 16,33 )

Wir erfahren auch den Grund für diese Zuversicht. Jesus hat ihn genannt auf die Frage nach dem Gebot das vor allem anderen zu beachten sei: "Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und von ganzem Gemüte. Dies ist das höchste und größte Gebot. Das andere aber ist dem gleich. Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst. In diesen beiden Geboten hängt das ganze Gesetz und die Propheten." Mt. 22, 37-40.
Wenn die Liebe zu Gott und die Liebe zu den Mitmenschen zum Mittelpunkt unseres Lebens wird, dann ist alles andere nachrangig. Wer von uns aber kann dieser Aufforderung vorbehaltlos und ohne Einschränkung folgen? Wir bleiben wohl alle den üblichen Kompromissen unserer Natur unterworfen.
Von dieser Mitte unseres Lebens aber - ob sie nun ausschließlich unser Leben beherrscht oder nur dazu dient, allzu große Kursabweichungen im Alltagsleben zu korrigieren - von dieser Mitte her gewinnt das Predigtwort neue Eindringlichkeit. In der historischen Situation an einen Rufer gerichtet, der das im Exil lebende Volk Gottes trösten und ihm die Rückkehr in das Land seiner Väter ankündigen soll, wird es durch das Zeugnis Jesu Christi über Zeit und Raum erhoben und richtet sich an jeden einzelnen von uns:

- Hörst du Gottes Ruf?
- Antwortest du auf Gottes Ruf?
- Bezeugst du das Wort Gottes, damit es lebendig bleibe in den Herzen der Menschen - in dir selbst und um dich her?
- Vertraust du auf die Kraft des ewigen Wortes Gottes?

Wenn wir hier antworten wollen, werden wir wohl zunächst mit den Worten des Psalmdichters Gott bitten:
Gedenke, Herr, an deine Barmherzigkeit
und an deine Güte,
die von Ewigkeit her gewesen sind. PS. 25,6
die in der mittelalterlichen Kirche den Eingangspsalm bildeten und damit dem heutigen Sonntag den Namen gaben: "Reminiscere" , "Gedenke, Herr ...“
Vielleicht können wir dann auf die Fragen antworten: "Ja, Herr, ich höre. Die Antwort fällt mir oft schwer. Das Zeugnis ist sehr häufig schwach. Mein Vertrauen schwankt."
Das ist jetzt nicht Ihre Antwort, die ich etwa voreilig vorweg genommen habe. Das ist aber eine mögliche Antwort, die die Situation unserer Zeit berücksichtigt. Ihre Antwort müssen Sie selbst geben. Wichtig ist, daß Sie den Mut und die Kraft finden, wie der Prophet die eigene Unzulänglichkeit zu erkennen und zu benennen, dennoch aber einer Antwort nicht auszuweichen.
Das Predigtwort hat aber nicht nur Fragen an uns. Es enthält eine Zusage unseres Gottes, die uns begleitet und Kraft gibt für den heutigen Tag und für alle, die ihm folgen.
Gottes Ruf hört nicht auf. Er geht uns nach über Tausende von Jahren hinweg* Er sucht nicht einzelne; sondern jeden einzelnen von uns. Unsere Antwort ist aber notwendig, wenn unser Glaube lebendig werden soll für uns und für andere.

Herr, unser Gott, lieber himmlischer Vater, Du rufst uns. Es fällt uns schwer, Dir zu antworten. Wir erkennen aber, daß wir Dein ewiges Wort brauchen für unser Leben auf dieser Welt und für das Leben der Menschen um uns. Wir bitten Dich deshalb, gib uns offene Ohren, öffne unsere Herzen und gib uns Kraft, Mut und Zuversicht, damit wir uns Dir zuwenden, Dir antworten und deine Liebe leben - in dieser Deiner Welt. Amen.

Lied:
EKG 230, 1 + 2 Ich singe dir mit Herz und Mund


Materialien

- „Stuttgarter Erklärungsbibel“ Luthertext mit Einführung und Erklärungen Stuttgart. Deutsche Bibelgesellschaft. 2.A. 1992, S. 878f 3.A. 2007 mit Apokryphen, 2008 S.

"Neue Jerusalemer Bibel". Einheitsübersetzung mit dem Kommentar der Jerusalemer Bibel. Neu herausgegebene und erweiterte Ausgabe.Deutsch herausgegeben von Alfons Deissler und Anton Vögtle in Verbindung mit Johannes M. Nützel Freiburg. Herder. 12. A. 1985. 2001. S. 1077

Claus Westermann, "Das Buch Jesaja. Kapitel 40 - 66" übersetzt und erklärt Göttingen. Vandenhoeck & Ruprecht. 4.A.1981, S. 29 – 41

"Assoziationen" Gedanken zu biblischen Texten. Herausgegeben von Walter Jens Stuttgart. Radius. 1982. Hans von Keler, S. 14f Christian Krause, S. 15f

"Verborgene Weisheit Gottes", Predigtgedanken aus Vergangenheit und Gegenwart, ausgewählt von Hartwig Daewel, Reihe D Band 1, S. 30-43 Berlin. Evangelische Verlagsanstalt. 1.A. 1975