Dienstag, 17. Februar 2009

Fasten einmal anders: Staat und Gesellschaft

Estomihi (2002-02-10)

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus. Amen.

Wir hören eine Auswahl aus dem Predigttext für den heutigen Sonntag Estomihi aus dem Buch des Propheten Jesaja im 58. Kapitel, und zwar
die Verse 3 bis 9:
(3) "Warum fasten wir, und du siehst es nicht an? Warum kasteien wir
unseren Leib, und du willst's nicht wissen?“ - Siehe, an dem
Tage, an dem ihr fastet, geht ihr doch euern Geschäften nach
und bedrückt alle eure Arbeiter.
(4) Siehe, wenn ihr fastet, hadert und zankt ihr und schlagt mit
gottloser Faust drein. Ihr sollt nicht so fasten, wie Ihr
jetzt tut, wenn eure Stimme in der Höhe gehört werden soll.
(5) Soll das ein Fasten sein, an dem ich Gefallen habe, ein Tag,
an dem man sich kasteit, wenn ein Mensch seinen Kopf hängen
läßt wie Schilf und in Sack und Asche sich bettet? Wollt ihr
das ein Fasten nennen und einen Tag, an dem der Herr Wohlgefallen hat?
(6) Das aber ist ein Fasten, an dem ich Wohlgefallen habe:
Laß los, die du mit Unrecht gebunden hast, laß ledig, auf
die du das Joch gelegt hast! Gib frei, die du bedrückst, reiß jedes Joch weg!
(7) Brich dem Hungrigen dein Brot, und die im Elend ohne Obdach
sind, führe ins Haus! Wenn du einen nackt siehst, so kleide
ihn, und entzieh dich nicht deinem Fleisch und Blut!
(8) Dann wird dein Licht hervorbrechen wie die Morgenröte, und
deine Heilung wird schnell voranschreiten, und deine Gerechtigkeit wird vor dir hergehen, und die Herrlichkeit des Herrn wird deinen Zug beschließen.
(9) Dann wirst du rufen, und der Herr wird dir antworten. Wenn du schreist, wird er sagen: Siehe, hier bin ich."

Lieber himmlischer Vater,
laß das Wort deines Propheten zu einem Licht werden, das uns den Weg durch diese - oftmals so dunkle und uns trostlos erscheinende - Welt zeigt, den Weg zu dir. Amen.

Nach vierzig Jahren babylonischer Gefangenschaft kehren die Juden in ihre zerstörte Heimat zurück. "Nichts ist mehr so, wie es mal war." Nebukadnezar, der Herrscher Babylons, hatte die Stadt und den Tempel zerstört. Die Jahre hatten das Zerstörungswerk noch fortgesetzt.
Nun suchen die Juden Hilfe und Zuspruch bei ihrem Gott:
„Warum fasten wir - und du siehst es nicht? Warum kasteien wir unseren Leib - und du willst nichts davon wissen?"
Gott wendet die Frage um - ist das denn Gottesdienst, sucht ihr ernsthaft das Gespräch mit mir, wenn ihr fastet? Ihr verhaltet euch doch so wie sonst auch. Ihr selbst steht euch im Wege.
Ja, es ist tatsächlich so - Gott ist kein Service-Unternehmen, das für unser Wohlsein sorgen muß und dafür mit göttlicher Münze - etwa dem Fasten - bezahlt wird. Ihr müßt eure Einstellung ändern. Sucht nicht, mir zu gefallen, sondern den Menschen um euch her zu helfen - wirksam und anhaltend auch dann, wenn es euch schwer fällt.
Macht das Unrecht gut, wenn ihr Unrechtes getan habt. Ich denke zum Beispiel an die damals weit verbreitete Schuldhaft, wonach ein Schuldner ins Gefängnis kommt, wenn er seine Schuld nicht zahlt. Der Jude soll ihn vielmehr frei lassen, für Arbeit sorgen, damit er seine Schuld abtragen kann. "Das ist ein Fasten, an dem ich Wohlgefallen habe“, sagt Gott (Jes. 58,6).
Doch dann ist ständig die Rede vom Handeln an und für den Mitmenschen:
Brich dem Hungrigen dein Brot, gib dem Obdachlosen eine Unterkunft, einem Zerlumpten oder gar Nackten gib ordentliche Kleider.
Wenn das geschieht, wenn du das tust, wenn deine Hinwendung zu deinen Mitmenschen aus der Liebe zu deinem Gott kommt, dann wird dein Licht die Welt erhellen. Du denkst dann nicht an dich - und danach an Gott, wie er dir helfen kann, sondern an deinen Mitmenschen und wie Gott ihm helfen kann. Das ist ein grundlegender Unterschied! -
Im September vorigen Jahres sagte ich an dieser Stelle zum Abschluß der Predigtreihe zur Überwindung der Gewalt:
"Gottes Schöpfung ist gut - 1. Mose 1,31 -, dann ist der Mensch auch gut."
Nach meiner Überzeugung können wir nur auf diesem Wege einen Zugang zu Jesu Aufforderung finden: "Liebet eure Feinde und bittet für die, die euch verfolgen" (Mt. 5,44)
Gott hat uns seine Schöpfung anvertraut, der Mensch soll sich die Erde untertan machen - 1. Mose 1,28 -. Aber er soll nicht als Herrscher über ihr stehen, sondern sie lieben, für sie sorgen, mit ihr leiden. Wenn das alles so ist, wie ich es eben beschrieben habe, dann kann ein Christ keinen Krieg erklären.
Wir wissen allerdings, daß wir Menschen unvollkommene Ebenbilder Gottes sind, fehlerhaft, schwach und manches Mal auch böse.
Die Väter und Mütter des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland haben gewiß auch an die Ebenbildlichkeit Gottes gedacht als sie den ersten Artikel des Grundgesetzes - GG - formulierten:
Die Würde des Menschen ist unantastbar.
Als Vertreter eines Staates mit unvollkommenen Menschen wußten sie aber auch, daß die Würde des Einzelnen und die dieses Staates nur bewahrt werden kann, wenn sie geschützt wird. Er hat Gesetze erlassen und dem Staat in sehr begrenztem Umfang das Recht, das zu kontrollierende Recht der Gewaltanwendung eingeräumt(sogenanntes "Gewaltmonopol des Staates", zum Beispiel im Falle der Polizei und der Bundeswehr). In dieser unvollkommenen Welt ist das wohl notwendig - christlich ist das nicht.
In diesen Wochen hat der Präsident der Vereinigten Staaten George Walker Bush der "Achse des Bösen" den Krieg erklärt. In seiner Rede zur Lage der Nation nannte er den Irak, den Iran und Nordkorea als die Staaten, die diese Achse bildeten.
Es gibt gewiß Gründe dafür, daß er das tat. Viele Menschen halten das für unvernünftig. Auch sie haben ihre Gründe.
Meine Sorge bei seinem Vorgehen ist, daß er glaubt, als Christ so handeln zu müssen. Er kann nicht erkennen, daß seine Handlungsweise nicht ein Zeichen der Stärke und Überlegenheit, sondern der Schwäche und Ichbezogenheit ist. Er weiß, daß er den Krieg bezahlen kann. Die Nation steht noch hinter ihm. Aber wird er auch bezahlen können, was danach kommt - in den USA, vor allem in den zerstörten Ländern und in den Menschen, die zu Kriegsopfern werden? Ich habe da meine Zweifel. -
Was das mit Fasten zu tun hat? Es kann an meiner persönlich begrenzten Einsichtsfähigkeit liegen. Aber es gibt verantwortliche Vertreter der christlichen Kirchen und auch Politiker, die den Eindruck haben, daß der Präsident der USA und die Berater, deren Rat er folgt, im Bewußtsein der Stärke oder vielleicht sogar der Vergeltung handeln. Das widerspricht dem, was Gott zu unserem Handeln, zu unserem Fasten sagt. Am aktuellen Beispiel staatlichen Handelns kann man auch zeigen, was im Verhältnis unter Menschen gilt. Ein anderes Beispiel sehen wir an unserer Kirchenwand - außen, neben der Treppe finden Sie drei Plaketten. Hier meine ich zwei davon. Auf der einen steht:
"Erlaßjahr 2000"
und auf der anderen
"geht weiter."

Was ist damit gemeint? Nicht nur von den christlichen Kirchen ist die Initiative ausgegangen, den Staaten der sogenannten Dritten Welt einen Teil ihrer Schulden gegenüber den entwickelten Industriestaaten zu erlassen. Die christlichen Kirchen beziehen sich auf Bestimmungen des 2. Buches Mose (2. Mose 23, 10f). Mit der Erklärung des Jahres 2000 zum Erlassjahr und seiner Fortsetzung sind Staaten und auch Wirtschaftsunternehmen bereit und in der Lage durchaus im Sinne Gottes zu handeln und aktiv "fasten" können, ob sie das so nennen oder nicht Ein Ausleger nennt dieses Fasten "diakonisches Fasten" – (Gottfried Voigt "Homiletische Auslegung der Predigttexte. Reihe III: Geliebte Welt". Göttingen. Vandenhoeck & Ruprecht. NEUE FOLGE. 2.A.1986, S.415)

Nun stellen sich natürlich einige Fragen.
Ist die "Selbstkasteiung" unchristlich? - Nein. Wir kennen die Beispiele von Johannes dem Täufer und Jesus, die sich immer wieder in die Wüste zurückzogen, um sich konzentriert Gott zuwenden zu können. Dazu kann Fasten helfen. Sinnvoll angewendet ist es eine Hilfe, gesund zu werden und gesund zu bleiben. Es gibt noch einen anderen Grund: Der Teufel führt Jesus in die Wüste, um ihn zu versuchen. Die Evangelisten Matthäus (4,1-11), Markus (1,12 - 13) und Lukas (4,1-13) berichten davon. Jesus widersteht dem Teufel. Manche Christen nehmen sich vor, eine Versuchung, der sie sonst kaum widerstehen, in der Fastenzeit zu meiden - z.B. Schokolade, Zigaretten, Alkohol. Dies alles geschieht aber in Übereinstimmung mit Gottes Auftrag und im Hören auf ihn.
Gott verbietet uns auch nicht , mit ihm zu sprechen und mit ihm zu streiten. Ja, wir dürfen ihn auch bedrängen in persönlicher Not. Der Psalmdichter hat es uns gezeigt:
Sei mir ein starker Fels und eine Burg (Psalm 31, 3)

Kanzelsegen:
Und der Friede Gottes, welcher höher ist als alle unsere Vernunft,
bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus, unserem Herrn.
Amen.

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